Krautrock Musik Geschichte
Krautrock Musik Geschichte kurz Einführung:
Krautrock ist eine der spannendsten Musikbewegungen, die in Deutschland ihren Ursprung haben und internationalen Einfluss genommen haben. Krautrock entstand Ende der 1960er Jahre und erreichte seinen Höhepunkt in den frühen 1970er Jahren, beeinflusst von der aufkommenden Psychedelic-Rock-Welle und den sozialen und politischen Umwälzungen der Zeit. Die Bewegung steht für eine Art musikalischen Befreiungsschlag: Musiker und Künstler der deutschen Nachkriegsgeneration suchten nach neuen Formen des Ausdrucks, die sich von traditionellen deutschen Musiktraditionen und vom dominierenden angloamerikanischen Rock absetzten.
Historischer Hintergrund und Entstehung
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die deutsche Kultur stark von amerikanischer und britischer Musik beeinflusst. Rock ‘n’ Roll und später Rock und Beatmusik dominierte, und viele junge Deutsche waren fasziniert von Bands wie den Beatles oder den Rolling Stones. Doch Ende der 1960er Jahre begann eine Suche nach einer eigenständigen Identität. Die Generation, die während oder kurz nach dem Krieg geboren wurde, strebte nach Unabhängigkeit und neuen Formen des Selbstausdrucks. Auch der Einfluss der Studentenproteste von 1968 und der politischen Bewegung gegen den Vietnamkrieg prägte diese Generation.
Viele der frühen Krautrock-Künstler waren stark beeinflusst von experimenteller Musik, dem amerikanischen Free Jazz und den avantgardistischen Ansätzen von Komponisten wie Karlheinz Stockhausen, einem der Pioniere der elektronischen Musik und der musikalischen Avantgarde in Deutschland. Tatsächlich hatten einige Krautrock-Musiker bei Stockhausen studiert, darunter Mitglieder von Kraftwerk und Can. Es entstand ein Bedürfnis, sich von traditionellen Songstrukturen und den Konventionen der Popmusik zu lösen und neue musikalische Ausdrucksformen zu schaffen. Diese Experimentierfreude führte zu einer einzigartigen Klangwelt, die oft hypnotische Rhythmen, improvisierte Passagen und den Einsatz von elektronischen Geräten beinhaltete.
Musikalische Merkmale und Stilelemente
Krautrock war kein homogener Stil, sondern eine breite Bewegung, die eine Vielzahl von Einflüssen und Stilen vereinte. Einige der charakteristischen Merkmale waren:
- Rhythmische Fokussierung und „Motorik“: Viele Krautrock-Bands setzten auf monotone, treibende Rhythmen, die in einen tranceartigen Zustand versetzen sollten. Der sogenannte „Motorik“-Beat, geprägt von Bands wie Neu!, ist ein rhythmisches Muster, das konstant und unerschütterlich wirkt und oft über die gesamte Länge eines Stückes beibehalten wird. Der Schlagzeuger Klaus Dinger (Neu!) wurde bekannt für diesen Stil, der sich durch ein kontinuierliches 4/4-Muster auszeichnet, das wie ein maschinelles Pulsieren klingt.
- Experimentelle Klanglandschaften: Im Gegensatz zum klassischen Rock, der sich häufig auf Gitarren und klare Songstrukturen stützte, arbeitete Krautrock oft mit Klanglandschaften und Experimenten. Synthesizer, frühe Drumcomputer und andere elektronische Geräte kamen zum Einsatz, um völlig neue Klangfarben zu erzeugen. Bands wie Tangerine Dream und Kraftwerk schufen mit Synthesizern und Sequenzern dichte Atmosphären, die teils minimalistisch, teils futuristisch klangen.
- Improvisation und Freiheit: Krautrock war stark von Jazz und Improvisation geprägt. Besonders Bands wie Amon Düül II und Can arbeiteten viel mit freier Improvisation, um die konventionellen Strukturen der Rockmusik zu durchbrechen. Diese Freiheit führte oft zu langen, hypnotischen Stücken, die eher wie „musikalische Reisen“ anmuteten und oft nicht an ein festes Ende gebunden waren.
- Einflüsse der Avantgarde und Psychedelic Rock: Viele Krautrock-Musiker waren von der psychedelischen Bewegung beeinflusst, die experimentelle Klänge, Bewusstseinserweiterung und das Loslösen von musikalischen Konventionen befürwortete. Dieser Einfluss zeigte sich oft in langen, träumerischen Passagen und einer Neigung zur Klangforschung, die teils surreal anmutete.
Wichtige Bands und Künstler
- Can: Diese Band, die sich durch ihren avantgardistischen Sound und ihre innovativen Aufnahmetechniken auszeichnete, zählt zu den einflussreichsten Krautrock-Gruppen. Can war bekannt für ihren experimentellen Ansatz und die Integration von improvisiertem Gesang, ethnischer Musik und „Zufallselementen“. Alben wie Tago Magound Ege Bamyasi gelten als Klassiker.
- Neu!: Neu! legte besonderen Wert auf hypnotische Beats und den „Motorik“-Sound. Ihre minimalistischen und kraftvollen Stücke hatten einen großen Einfluss auf spätere Genres wie Post-Punk und elektronische Musik. Ihre Werke wie Hallogallo werden oft als wegweisend betrachtet.
- Kraftwerk: Obwohl Kraftwerk später eher der elektronischen Musik zugeordnet wird, begann die Band als Krautrock-Formation. Mit Alben wie Autobahn gelang ihnen eine Revolution, die später zur Grundlage für elektronische Musik wurde. Kraftwerk war stark auf maschinelle Rhythmen und Klangstrukturen fokussiert, die wegweisend für das Genre waren.
- Faust: Faust war eine der experimentellsten Bands und nutzte ungewöhnliche Techniken wie Tonbandschleifen, Collagen und Improvisationen. Ihre selbstbetitelten Alben und Faust IV wurden zu Kultklassikern und prägten den experimentellen Geist des Krautrocks.
- Amon Düül II: Diese Band kombinierte psychedelische Elemente mit einer „freien“ Form der Improvisation und politisch geprägten Texten. Sie hatten eine große Anhängerschaft und einen Ruf für ihre mitreißenden Live-Performances und experimentellen Alben wie Yeti und Phallus Dei.
Untergrund-Labels und die Rolle von Produzenten
In den frühen 1970er Jahren war es schwer für Krautrock-Künstler, bei großen Plattenfirmen unterzukommen, da ihre Musik als zu experimentell und nicht kommerziell genug galt. Eine Reihe kleiner, unabhängiger Labels entstand, die Krautrock-Bands eine Plattform boten:
- Ohr Records: Gegründet von Rolf-Ulrich Kaiser, war Ohr eines der wichtigsten Labels für Krautrock und veröffentlichte Werke von Künstlern wie Tangerine Dream und Amon Düül II. Das Label half der Szene, an Aufmerksamkeit zu gewinnen und schuf ein Netzwerk für experimentelle Musiker.
- Brain Records: Brain wurde 1972 von Bruno Wendel und Günter Körber ins Leben gerufen und etablierte sich schnell als bedeutendes Label für Krautrock. Brain Records veröffentlichte Werke von Neu!, Cluster und Guru Guru.
- Pilz Records: Ebenfalls von Kaiser gegründet, verfolgte Pilz einen ähnlich avantgardistischen Ansatz wie Ohr und förderte ebenfalls eine Vielzahl von Krautrock-Bands.
Politischer und kultureller Einfluss
Der gesellschaftliche Wandel und die Antiautoritätsbewegungen der 1960er und 1970er Jahre schufen ein Umfeld, in dem die Jugend und viele Musiker sich gegen alte Konventionen und Autoritäten auflehnten. Krautrock wurde zum Ausdruck dieses Widerstands. Viele Musiker sahen sich als Teil einer Gegenkultur, die sich kritisch mit Themen wie Konsum, Kommerz und den bestehenden gesellschaftlichen Strukturen auseinandersetzte.
Einfluss auf spätere Musikgenres und Vermächtnis
Krautrock hat bis heute einen nachhaltigen Einfluss auf viele Genres. Besonders elektronische Musik, Ambient, Post-Punk und Industrial greifen oft auf Elemente des Krautrocks zurück. Künstler wie David Bowie und Brian Eno ließen sich von der deutschen Szene inspirieren; Bowies „Berlin-Trilogie“ mit Alben wie Low und Heroes ist ein direkter Tribut an die Krautrock-Ära.
In jüngerer Zeit haben viele Musiker und Bands Krautrock als Inspirationsquelle neu entdeckt, was zu einer erneuten Wertschätzung des Genres geführt hat. Alben wie Neu! ’75 oder Tago Mago gelten heute als Klassiker, und Krautrock genießt Kultstatus unter Musikliebhabern und Sammlern weltweit.
Die Krautrock-Szene war geprägt von vielen Künstlern und Bands, die sich konsequent gegen kommerzielle Einflüsse und traditionelle Musikstrukturen stellten. Hier sind einige wichtige Interpreten und Bands, die die unkonventionelle, oft anti-kommerzielle Haltung der Krautrock-Bewegung verkörperten:
1. Kluster
Kluster, ursprünglich als Kluster bekannt, wurde von Hans-Joachim Roedelius und Dieter Moebius gegründet und experimentierte stark mit elektronischen Klanglandschaften und Minimalismus. Sie schufen düstere und atmosphärische Soundscapes, die wenig Bezug zu traditioneller Rockmusik hatten. Kluster (Cluster) waren besonders für ihre Avantgarde-Ansätze bekannt und hielten sich konsequent vom Mainstream fern.
2. Ash Ra Tempel
Ash Ra Tempel war eine von Manuel Göttsching und Hartmut Enke gegründete Band, die für ihre langen, hypnotischen Improvisationen bekannt war. Die Musik von Ash Ra Tempel war stark vom Psychedelic Rock beeinflusst, entwickelte sich aber in eine spacige, tranceartige Richtung, die kommerzielle Strukturen weitgehend ignorierte. Ihre Musik war oft rein instrumental und galt als spirituelles Erlebnis.
3. Agitation Free
Agitation Free mischte Einflüsse aus Psychedelic Rock und orientalischer Musik mit freier Improvisation. Ihre Alben wie Malesch und 2nd gelten als Kultklassiker im Krautrock und zeigen eine faszinierende Kombination aus rhythmischen Passagen und atmosphärischen Klangteppichen. Agitation Free legte großen Wert auf Experimentierfreude und verzichtete auf kommerzielle Anpassungen.
4. Guru Guru
Unter der Leitung von Mani Neumeier verfolgte Guru Guru einen anarchistischen und avantgardistischen Ansatz, der oft humorvoll und bizarr war. Ihr Album UFO gilt als eines der wildesten Werke des Krautrocks. Guru Guru war für ihren experimentellen, oft chaotischen Sound bekannt, der von langen Improvisationen und ungewöhnlichen Klangtechniken geprägt war. Die Band lehnte kommerziellen Erfolg ab und behielt sich eine Nischenrolle in der Musiklandschaft vor.
5. Harmonia
Eine Kollaboration von Mitgliedern aus Neu! und Cluster, war Harmonia eine kurzlebige, aber einflussreiche Formation, die auf hypnotische Rhythmen und elektronische Texturen setzte. Die Band kreierte eine minimalistische und repetitive Musik, die für den kommerziellen Markt nicht geeignet war. Ihre Musik war stark experimentell und beeinflusste später Pioniere der Ambient- und Elektronik-Musik wie Brian Eno.
6. Amon Düül (Amon Düül I)
Der erste Ableger der Münchner Künstlerkommune, Amon Düül I, war experimenteller und unorthodoxer als die spätere Formation Amon Düül II. Die Musik von Amon Düül war geprägt von langen Improvisationen und Lo-Fi-Produktionen, die oft chaotisch und rau klangen. Die Band sah sich als ein Kollektiv ohne kommerzielle Absichten, bei dem jedes Mitglied auf eine unvermittelte Ausdrucksweise Wert legte.
7. Popol Vuh
Popol Vuh, gegründet von Florian Fricke, war bekannt für seine mystischen und spirituellen Klanglandschaften. Die Musik der Band kombinierte elektronische Klänge mit traditionellen Instrumenten und einer Vorliebe für asiatische und afrikanische Einflüsse. Ihre Werke, oft als Soundtracks für Werner Herzog-Filme genutzt, waren meditativ und entsprachen nicht dem Geschmack des Massenpublikums.
8. Xhol Caravan / Xhol
Xhol Caravan, später nur als Xhol bekannt, verband Krautrock mit Free Jazz und experimenteller Rockmusik. Die Band war bekannt für lange, freiformatige Stücke und integrierte Saxophon-Improvisationen in ihre Musik. Alben wie Electripzeigen einen wilden Mix aus Rock, Jazz und Avantgarde, der weit entfernt von kommerziellen Sounds war.
9. The Cosmic Jokers
The Cosmic Jokers waren ein experimentelles Projekt von Rolf-Ulrich Kaiser, das aus verschiedenen Musikern der Krautrock-Szene bestand, darunter Mitglieder von Ash Ra Tempel und Wallenstein. Die Musik war improvisiert und oft unter Einfluss psychedelischer Substanzen aufgenommen. Die Cosmic Jokers veröffentlichten Alben ohne Wissen oder Zustimmung der beteiligten Musiker, was zu Konflikten führte, aber auch zum Status des Projekts als extremes Beispiel für Anti-Kommerz.
10. La Düsseldorf
Gegründet von Klaus Dinger, einem ehemaligen Mitglied von Neu!, setzte La Düsseldorf den minimalistischen Motorik-Beat fort, der Neu! bekannt gemacht hatte, kombinierte ihn jedoch mit einer stärkeren Betonung auf repetitive Melodien. La Düsseldorf blieb experimentell und auf den Underground beschränkt, wobei der Erfolg ihrer Musik auf Authentizität und nicht auf kommerzielle Kompromisse beruhte.
11. Brainticket
Zwar keine rein deutsche Band, wurde Brainticket stark von der Krautrock-Szene beeinflusst und spielte einen hypnotischen, psychedelischen Stil mit surrealistischen Texten und Klangcollagen. Ihr Album Cottonwoodhill ist bekannt für seine ungewöhnlichen Klangexperimente und wird oft als eines der unkonventionellsten Werke der Ära bezeichnet. Die Band blieb ebenfalls weit entfernt von kommerziellen Erfolgen.
12. Annexus Quam
Annexus Quam kombinierten Jazz und Psychedelic Rock mit einem offenen, improvisationsreichen Ansatz. Ihre Alben Osmose und Beziehungen reflektieren ein Interesse an spirituellen und esoterischen Konzepten und weisen keinerlei kommerzielle Zugänglichkeit auf. Die Band arbeitete viel mit komplexen, oft unorthodoxen Songstrukturen, die sich nur schwer auf den Mainstream übertragen ließen.
13. Gila
Gila, gegründet von Conny Veit, war ebenfalls eine der experimentelleren Krautrock-Bands. Ihre Musik kombinierte progressive Rockelemente mit einer meditativen, psychedelischen Klangwelt. Die Texte und Themen der Band waren introspektiv und spirituell, weit entfernt von kommerziellen Themen.
14. Dom
Dom war eine eher unbekannte Band, die jedoch durch ihr Album Edge of Time eine Kultstellung im Krautrock erlangte. Die Musik ist eine Mischung aus psychedelischen, experimentellen und teilweise folkloristischen Einflüssen. Edge of Time ist für seine düstere, atmosphärische Musik bekannt und fand kaum Beachtung im kommerziellen Musikmarkt.
15. Limbus 3 / Limbus 4
Diese Gruppen waren sehr avantgardistisch und frei in ihrer musikalischen Ausrichtung. Sie experimentierten mit improvisierten, oftmals sehr schrillen und schwer zugänglichen Klängen. Ihre Alben sind extrem experimentell und weit entfernt von jeglicher Kommerzialität.
Diese Bands und Künstler verkörperten die anti-kommerzielle Haltung, die Krautrock prägte. Sie alle schufen Musik, die absichtlich konventionelle Strukturen und Erwartungen unterlief, und trugen damit zu einem reichen Erbe an unkonventioneller, authentischer Musik bei. Natürlich gab es weitere Künstler die ins Mainstream nicht geschafft haben und mit durch unbekannte Labels produziert wurden. Und genau diese Platten, sind heute kaum noch zu bezahlen. Da weder auf Spotify oder noch auf eine andere Platten zu finden sind.