Torben Westergaard – Dialogues

Torben Westergaard – Dialogues

Müdigkeit, Arbeit, Kaffee und Jazz von Torben Westergaard – Dialogues

  • Label: TWMUSIK (Independent)
  • Format: Stream, Download
  • Land: Dänemark / USA
  • Veröffentlicht: 2024
  • Genre: Jazz
  • Stil: Nordic Jazz / Brazilian Jazz Duo
  • Amazon: Torben Westergaard – Dialogues

Wenn der Bass zur Stimme wird und das Klavier antwortet

Nun ist es schon wieder 02:00 am Morgen und ich bin wider wach. Was macht man dann? Natürlich erstmal Kaffee trinken und die große Anlage starten. Draußen ist es still, das Stromnetz ist sauber, und die Transistoren kommen langsam auf Temperatur. Eigentlich wollte ich mal wieder nur ein bisschen Hintergrundbeschallung, aber dann passierte es: Apple Music warf mir einen Vorschlag in die Playlist und – zack bam – ein Volltreffer! Ich rede von „Dialogues“, dem aktuellen Album des dänischen Tiefton-Magiers Torben Westergaard. Wer mich kennt, weiß: Ich habe schon viel gehört. Aber dieses Ding hier ist ein echtes Brett für jeden, der seine Anlage mal so richtig auf den Prüfstand stellen will.

Zwei Welten, ein Gespräch: Wer steckt dahinter?

Damit ihr versteht, warum das hier so blindlings funktioniert, muss man sich die Protagonisten mal ansehen. Torben Westergaard ist in Dänemark eine Institution. Der Mann ist nicht nur Bassist, sondern auch Dozent am Konservatorium und ein echter Klangforscher. Er hat Projekte geleitet, die Jazz mit traditioneller koreanischer Musik kreuzen – er weiß also genau, wie man musikalische Brücken baut. Auf diesem Album spielt er Bass-Lines, die so melodisch sind, dass man fast vergisst, dass kein Sänger im Raum ist.

Sein Gegenüber, Helio Alves, ist die Geheimwaffe dieses Albums. Der Mann kommt aus São Paulo, lebt aber seit Jahrzehnten in New York und hat mit Legenden wie Joe Henderson oder Yo-Yo Ma gearbeitet. Er bringt diesen federleichten, brasilianischen Groove mit, der den oft kühleren, skandinavischen Jazz von Westergaard perfekt aufbricht. Das ist kein Wettbewerb „Wer spielt schneller?“, sondern ein echtes Miteinander.

Das Album ist der Abschluss einer Trilogie (nach Tangara und The Brazilian Project), in der Westergaard seine Liebe zur brasilianischen Rhythmik mit skandinavischer Klarheit gekreuzt hat. Es ist ein reines Duo-Album. Bass und Klavier. Mehr braucht es nicht, wenn die Chemie so stimmt wie hier.

Die Aufnahme: Nichts für Weichspüler

Was die beiden hier abgeliefert haben, ist eine sehr gute organische und sonore Aufnahme. Das ist kein weichgespülter Fahrstuhl-Jazz, bei dem alles in einer wattigen Wolke aus Hall ersäuft. Hier hört man das Holz. Man hört das Greifen der Saiten, das Schwingen des Resonanzkörpers und den harten Anschlag der Klavierhämmer. Ich habe mal ein wenig recherchiert, warum mir dieser Sound so unvermittelt in die Magengrube gefahren ist. Die Jungs wissen einfach, was sie tun. Aufgenommen wurde im Mai 2023 im legendären The Village Recording in Kopenhagen. Wer sich ein bisschen im Studio-Sektor auskennt, dem schlackern bei deren Equipment-Liste die Ohren.

Gemischt wurde auf ATC SCM50 ASL Pro Monitoren. Das sind Werkzeuge, keine Schmeichler. Die zeigen dir jeden Fehler gnadenlos auf. Damit der Raum den Sound nicht verbiegt, kam ein Trinnov-System zur digitalen Raumoptimierung zum Einsatz. Das erklärt, warum die Abbildung auf der heimischen Anlage so unverschämt stabil und plastisch wirkt. Der finale Realitätscheck lief über die guten alten Yamaha NS-10M. Der Mix ist lupenrein und wurde von Carlos Laurenz in Argentinien gemastert, was dem Ganzen diesen Hauch von internationalem Flair verleiht.

Ein Wort zur Warnung

Wäre jetzt zuhause eine warm abgestimmte Anlage hat, möchte ich an dieser Stelle mein Beileid aussprechen. Ganz im Ernst: Wenn eure Kette dazu neigt, den Bass aufzudicken oder Details unter den Teppich zu kehren, dann wird dieses Album zur Qual. „Dialogues“ braucht Kontrolle. Es braucht Schnelligkeit und eine saubere Trennung. Wenn der Bass von Westergaard – oft ein singender Fretless, der fast wie ein Cello klingt – loslegt, dann muss das trocken im Raum stehen. Wer eine Kette hat, die „ehrlich“ spielt: Genießt es! Das hier ist audiophiler Hochgenuss ohne die übliche Jazz-Langeweile.

Fazit

Ein Album wie ein guter Espresso um zwei Uhr morgens: Schwarz, stark und belebend. Torben Westergaard hat mit seinem Label TWMUSIK eindrucksvoll bewiesen, dass man auch im Jahr 2024 noch Alben produzieren kann, die klanglich absolut State-of-the-Art sind und sich wohltuend vom Loudness-War-Einheitsbrei abheben. Was dieses Werk so besonders macht, ist die kompromisslose Ehrlichkeit. Hier wird nichts kaschiert. Wer eine Kette sein Eigen nennt, die in Sachen Auflösung und Dynamik ganz vorne mitspielt, wird mit einer Räumlichkeit belohnt, die fast schon beängstigend real wirkt. Man spürt förmlich den Druck der Luft, wenn der Bass die tiefsten Register zieht, und hört das Ausklingen der Saiten im Raum, als säße man direkt neben dem Aufnahmesessel im The Village Studio.

Es ist eine Einladung zum bewussten Hören. In einer Zeit, in der Musik oft zur reinen Hintergrundtapete verkommt, zwingt „Dialogues“ einen dazu, innezuhalten. Die Kombination aus technischer Perfektion (man denke an die ATC-Monitore und die Trinnov-Optimierung) und der tiefen musikalischen Verbundenheit zwischen Westergaard und Alves macht dieses Album zu einer Referenz-Einspielung für Duo-Besetzungen.

Anspieltipp: Vind oder The Smile. Augen zu, Lautstärke auf Rechtsanschlag (sofern die Nachbarn mitspielen) und abtauchen. Wer hier nicht Gänsehaut bekommt, sollte dringend seine Verkabelung oder seinen Kaffee-Dealer prüfen.

Die Titel in der Übersicht

1. Higher Minds (04:38) Das Album öffnet mit einem schwebenden, fast meditativen Dialog. Das Klavier legt eine harmonische Basis, über die der Bass mit sehr langen, singenden Tönen streicht. Ein Stück, das zum Nachdenken anregt und eine weite, offene Atmosphäre schafft.

2. Minor Me (03:55) Hier wird es rhythmisch etwas greifbarer. Das Zusammenspiel wirkt wie ein echtes Gespräch: Wenn Alves am Klavier eine Pause macht, übernimmt Westergaard die Erzählung. Die Melodieführung ist melancholisch, behält aber durch die brasilianische Note eine gewisse Leichtigkeit.

3. Den Første Gang Jeg Så Dig (04:23) Dies ist eine Interpretation eines schwedischen Klassikers von Birger Sjöberg (1905). Das Duo verwandelt die alte Weise in eine jazzige Ballade. Es ist das emotionalste Stück der EP – sehr lyrisch, voller Sehnsucht und mit einer wunderschönen, schlichten Melodie, die hängen bleibt.

4. Ab Ovo (04:24) „Ab Ovo“ bedeutet „vom Ei an“ oder „von Anbeginn“. Das Stück baut sich langsam auf, fast so, als würde man beim Entstehen einer Idee zuhören. Es ist experimenteller als die anderen Tracks und lebt von kleinen Nuancen und dem Raum zwischen den Noten.

5. Sempre (04:20) Der Abschluss bringt noch einmal die brasilianische Seele von Helio Alves nach vorne. Ein fließender Rhythmus und eine positive Grundstimmung prägen diesen Titel. Es wirkt wie ein versöhnlicher Ausklang eines tiefgründigen Gesprächs.

1. Der Künstler & Das Album

2. Die Aufnahmestudios

  • The Village Recording (Kopenhagen): thevillagerecording.dk

    • Das Hauptstudio für die Aufnahmen und den Mix. Bekannt für das Neve-Mischpult und die High-End-Akustik.

  • Thomas Vang (Produzent/Engineer): Profil bei The Village

    • Vang ist selbst Bassist und der Kopf hinter dem Sound des Village Recording.

3. Mastering & Technik-Referenzen

  • Carlos Laurenz Mastering (Argentinien): carloslaurenz.com

    • Verantwortlich für den finalen audiophilen Schliff.

  • ATC Loudspeakers (Monitore): atcloudspeakers.co.uk

    • Die im Studio verwendeten Hauptmonitore (SCM50 ASL Pro).

  • Trinnov Audio (Raumkorrektur): trinnov.com

    • Die Technologie, die für die perfekte Bass-Präzision im Studio sorgt.