Trio Elf  MusicBoxMusic

Trio Elf MusicBoxMusic

Nachtschicht, Senseo und der perfekte Klang: Trio Elf – MusicBoxMusic

  • Label: Enja Records – YEB7765
  • Format: CD, Album, Vinyl, Stream, Youtube
  • Land: Germany / Schweden
  • Veröffentlicht: 2016
  • Genre: Jazz
  • Stil: Contemporary Jazz
  • Amazon: Trio Elf MusicBoxMusic

Um 2:43 Uhr war die Nacht vorbei. Kennt ihr das? Ihr werdet wach, der Kopf ist voll, im Bauch rumort eine unerklärliche Unruhe und an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Also bin ich raus aus den Federn, ab in die Küche und habe mir erstmal einen Kaffee mit meiner Senseo rausgelassen. Schwarz, heiß, Lebensretter. Da ich eh wach war, habe ich die Gunst der Stunde genutzt: MacBook gestartet und mich endlich mal wieder um mein „Baby“, Mackern.de, gekümmert. Seien wir ehrlich, die Startseite und einige Unterseiten sahen etwas verwahrlost aus. Aber jetzt? Jetzt sitzen die Pixel wieder da, wo sie hingehören. Es schaut wieder perfekt aus.

Während ich da so im dunklen Raum saß, habe ich die große Anlage gestartet und einfach Apple Music machen lassen – Jazz-Algorithmus, Autoplay.

Der Moment der Ruhe: „Emptiness“

Kurz vor 6:00 Uhr, die Augen wurden langsam doch wieder schwer, passierte es. Aus den Lautsprechern perle ein Song, der mich sofort gepackt hat. Der Titel: „Emptiness“. Mal ganz abgesehen von der unfassbaren Klangqualität, hat mich dieses Stück augenblicklich entspannt. Die Unruhe im Bauch? Weg. Das Chaos im Kopf? Sortiert. Es war eines dieser wirklich herausragenden Stücke Musikqualität, das leider an so vielen Menschen vorbeigeht. Warum? Weil die meisten einfach nicht über den Tellerrand ihrer eigenen Genregrenzen schauen können.

Wer steckt dahinter? Trio Elf

Natürlich musste ich sofort wissen, wer mir da morgens um sechs den Kopf massiert. Es war das Album „MusicBoxMusic“ von Trio Elf. Wer die Jungs noch nicht auf dem Schirm hat: Das ist kein kuratierter Playlist-Pop, das ist Handwerk. Die Gruppe stammt aus Deutschland, genauer gesagt aus dem Raum München/Regensburg, und treibt ihr Unwesen schon seit Mitte der 2000er Jahre (gegründet ca. 2005). Das Trio besteht im Kern (auf diesem Album) aus dem Pianisten Walter Lang, dem Bassisten Sven Faller und dem Schlagzeuger Gerwin Eisenhauer. Was die machen, ist Jazz, aber erweitert um Drum ’n‘ Bass Elemente und Club-Sounds – nur eben akustisch gespielt.

  • Label: Erschienen ist das Ganze beim renommierten Jazz-Label Enja Records (Yellowbird).
  • Nilento Studio: Die Aufnahmequalität schreit förmlich nach Perfektionismus. Die Jungs  sind bekannt dafür, in Top-Studios zu arbeiten, und das hört man hier in jeder Sekunde. Die Räumlichkeit und die Dynamik auf „MusicBoxMusic“ sind Referenzklasse.

Hört ihr die Musik oder nur die Anlage?

Es gibt diesen alten Vorwurf in der Szene: Audiophile hören keine Musik, sie hören ihre Anlage. Das mag oft stimmen. Aber hier muss ich mal eine Lanze brechen: Um die emotionale Wirkung solcher Alben zu verstehen oder diese Wirkung überhaupt physisch zu spüren, braucht es eben Stereogeräte, die dazu in der Lage sind, die Medien auch richtig zu interpretieren. Viele meiner Stammleser wissen ja, dass ich auch Videos zu meinen Artikeln auf YouTube veröffentliche. Da lese ich dann oft Kommentare wie:

„Muss ich mir jetzt eine teure HiFi-Anlage kaufen, um die CD zu verstehen?“

Natürlich sind solche Fragen meist ironisch gemeint. Aber um es an dieser Stelle dennoch mal in aller Deutlichkeit zu beantworten: Ja! Die Wirkung solcher Alben geht mit Küchenradios oder den heute üblichen Bluetooth-Brüllwürfeln komplett verloren. Die Feinheiten des Anschlags von Walter Lang, das Atmen des Basses, die Transienten der Drums – das alles wird auf billigem Equipment zu Brei. „Emptiness“ auf einer High-End-Kette ist eine spirituelle Erfahrung. Auf einer JBL-Box ist es nur Hintergrundgedudel. Für mich war dieses Album abermals ein toller Fund. Wer seine Anlage mal wieder füttern will und dabei fühlen möchte, wie der Stress abfällt: Absolute Empfehlung.

Fazit: Eine audiophile Offenbarung für wache Geister

Was bleibt also hängen, wenn die letzten Töne von „MusicBoxMusic“ verklungen sind und der Morgenkaffee endgültig wirkt? Für mich ist dieses Album weit mehr als nur eine weitere Jazz-Scheibe im Regal. Es ist der Beweis dafür, dass Musik Medizin sein kann – vorausgesetzt, die Dosis und die Verabreichungsform stimmen. Trio Elf hat hier mit Walter Lang, Sven Faller und Gerwin Eisenhauer ein Werk geschaffen, das die Grenzen zwischen akustischem Jazz und modernen Grooves nicht nur überschreitet, sondern komplett auflöst. Es ist rhythmisch komplex, aber niemals anstrengend. Es ist melodisch, aber nie kitschig.

Aber – und das ist das große Aber, das ich meinen Lesern nicht ersparen kann:

Dieses Album ist ein gnadenloser Spiegel für eure Hardware. „MusicBoxMusic“ ist audiophiles Futter der Extraklasse. Die Produktion ist derart transparent, luftig und dynamisch, dass sie Fehler in der Kette sofort bestraft. Wer glaubt, die Magie von Titeln wie „Emptiness“ über einen Mono-Smart-Speaker oder beim Joggen über 08/15-In-Ears zu erfassen, der irrt gewaltig. Das, was dieses Album ausmacht – das Ausschwingen der Saiten, der physische Druck der Kickdrum, der Raum, der sich zwischen den Instrumenten aufspannt –, existiert nur dann, wenn die Anlage in der Lage ist, Luft zu bewegen und Emotionen in Schallwellen zu übersetzen.

Wer bereit ist, sich darauf einzulassen und seiner HiFi-Kette mal wieder echtes, unverfälschtes Material zu füttern, wird hier reich belohnt. Es ist eine Platte, die nicht nur gehört, sondern gefühlt werden will. Für alle, die nachts um 3:00 Uhr wach liegen oder einfach wissen wollen, warum sie tausende Euro in  Verstärker und Lautsprecher investiert haben: Dies ist eure Rechtfertigung. Ein musikalisches Meisterwerk, das zeigt, dass Jazz im 21. Jahrhundert nicht im Museum steht, sondern direkt ins Herz (und in die Magengrube) trifft.

Klangqualität: Referenzklasse Musikalität: Überragend Suchtfaktor: Hoch (besonders vor 6:00 Uhr morgens) Legt das Ding auf, dreht den Regler nach rechts und dankt mir später.

Hier ein kurzer Abriss dessen, was euch kompositorisch und emotional auf dem Album erwartet:

1. Emptiness (06:31) Der Titeltrack für meine frühen Morgenstunden. Das Stück beginnt mit viel Raum und Luft zum Atmen. Es ist keine beklemmende Leere, sondern eine befreiende Weite. Langsam schält sich eine Melodie heraus, die wie ein Gedanke wirkt, der sich langsam formt. Ein meditativer Einstieg, der den Hörer erst einmal ankommen lässt.

2. Krumm (03:55) Der Name ist hier Programm, aber auf die charmanteste Art. Trio Elf spielt hier mit Rhythmen, die sich eigentlich „falsch“ oder holprig anfühlen müssten, es aber nicht tun. Es ist ein vertracktes Spiel, bei dem der Takt zu stolpern scheint, sich aber immer wieder fängt und in einen unwiderstehlichen Groove mündet. Akustischer Drum ’n‘ Bass, der den Kopf fordert und die Füße wippen lässt.

3. Prelude to Elf Police (01:51) Ein kurzes Innehalten. Ein klassisch anmutendes Vorspiel, das Spannung aufbaut. Wie das tiefe Luftholen vor einem Sprint. Es bereitet die Bühne für das, was folgt, und lässt eine gewisse Dringlichkeit erahnen.

4. The Elf Police (05:13) Hier bricht die Energie durch. Das Stück treibt unaufhörlich nach vorne. Es hat die Attitüde eines Club-Tracks, wird aber rein handgemacht exekutiert. Man spürt förmlich die Hektik einer Verfolgungsjagd durch eine nächtliche Großstadt – nervös, schnell, aber unglaublich präzise.

5. Tripolis (03:34) Ein hektisches, urbanes Gewusel. Die Musik malt das Bild eines geschäftigen Marktplatzes oder einer Kreuzung zur Rush Hour. Verschiedene Motive laufen gegeneinander, überlagern sich und finden doch immer wieder zusammen. Ein musikalisches Wimmelbild.

6. Salutation to the Sun (06:45) Das Herzstück des Albums und vielleicht der emotionalste Moment. Fast sieben Minuten lang baut sich das Stück auf wie ein Sonnenaufgang. Es beginnt zart und steigert sich in eine strahlende, fast hymnische Größe. Jazz, der sich traut, einfach nur schön und erhebend zu sein.

7. Usain (02:58) Eine Hommage an die Geschwindigkeit. Das Stück ist ein Sprint – kurz, atemlos und auf den Punkt. Es gibt kein langes Vorgeplänkel, die Band startet bei 100 Prozent und hält das Energielevel bis zur letzten Sekunde. Pures Adrenalin.

8. Lullaby for a Weakling Child (03:28) Nach dem Sprint folgt die Ruhe. Ein Wiegenlied, das zerbrechlich und intim wirkt. Es hat eine fast kindliche Unschuld, getragen von einer simplen, berührenden Melodie, die Trost spendet und die vorherige Hektik vergessen lässt.

9. Danca da Fita (05:20) Hier blitzt südamerikanisches Temperament auf. Das Stück ist tänzerisch und leichtfüßig, durchzogen von dieser typischen Melancholie, die man oft im brasilianischen Jazz findet. Es erzählt von Bewegung, Eleganz und Lebensfreude.

10. Stadium (04:27) Ein Titel mit großer Geste. Die Komposition wirkt weitläufig, fast cineastisch. Man hat das Gefühl, in einer großen Arena zu stehen. Die Melodiebögen sind lang und episch, die Harmonien wirken kraftvoll und monumental.

11. Suq (05:06) Zum Abschluss eine Reise in den Orient. Mysteriöse Skalen und exotische Harmonien führen uns in eine andere Welt. Das Stück schlängelt sich wie Rauch, wirkt geheimnisvoll und lässt das Album mit einer offenen Frage statt einem festen Punkt enden.

Quellennachweise:

Rezension & Musikalische Einordnung Eine professionelle Kritik, die den Stil (Jazz meets Drum ’n‘ Bass) und die Qualität der Produktion bestätigt.