High End Audio Netzwerk Switch sinnvoll?

High End Audio Netzwerk Switch sinnvoll?

Alles im Takt? Oder ticken wir nicht mehr ganz richtig?

Warum High-End-Switches mit teure Clocks oft nur eines verbrennen: Dein Geld.

Hand aufs Herz: Wir alle lieben diesen Moment, wenn der Vorhang aufgeht. Wenn die Anlage nicht mehr nach Technik klingt, sondern nach Musik. Und weil wir Hifiholiker sind, suchen wir immer nach dem nächsten Fix. Nach dem nächsten 1%, das uns noch tiefer in den Sessel drückt. Die Industrie weiß das. Und sie liefert. Neuerdings ganz oben auf der Speisekarte: Netzwerkswitches mit internen oder externen Clocks.

Wir haben jetzt nicht nur DACs mit Clocks (logisch). Wir haben Streamer mit Super-Clocks. Und – haltet euch fest – wir haben jetzt Ethernet-Switches mit „Femto-Clocks“ oder Anschlüssen für externe Master-Clocks. Leute, wir müssen reden. Wir müssen dringend reden. Denn wenn wir mal kurz das Marketing-Geschwurbel beiseite schieben und uns anschauen, wie Netzwerktechnik wirklich funktioniert, dann haben wir hier einen logischen Fehler im System, der euch tausende Euro kostet.

Die Kette des Missverständnisses

Schauen wir uns das typische „Ultra-High-End-Setup“ an, das einem derzeit gerne als der Heilige Gral verkauft wird: Der Audiophile Switch: Entweder wirbt er mit einer internen „Ultra-Low-Noise OCXO Clock“ (Kostenpunkt: 1.000 €+) oder er hat direkt einen Eingang, an den eine 5.000 € teure externe Clock gehängt wird.

  • Der High-End Streamer: Nimmt die Daten, puffert sie und schickt sie weiter.
  • Der DAC (Wandler): Hier wird aus Nullen und Einsen endlich Musik.

Wo ist das Problem?

Das Problem ist, dass wir hier versuchen, digitale Paketdaten (TCP/IP) so zu behandeln wie ein analoges Signal oder wie SPDIF. Das ist Bullshit. Ein Netzwerk-Switch ist ein Logistiker. Er schiebt Pakete. Ihm ist es technisch völlig egal, ob ein Paket eine Mikrosekunde früher oder später rausgeht. Das ist das geniale Prinzip des Ethernets. Wenn ich eine E-Mail schicke, kommt der Text bei euch nicht „schöner“ formatiert an, nur weil mein Router an einer Atomuhr hängt. Er kommt an. Bit-perfect. Immer.

Die Mär von der „internen Super-Clock“

Fangen wir mit dem ersten Schritt des Wahnsinns an: Switches, die damit werben, dass sie intern statt eines normalen Quarzes eine hochpräzise „Femto-Clock“ verbaut haben. Hersteller erzählen euch, dass weniger „Jitter“ im Switch zu mehr Ruhe im Klangbild führt.

Fakt ist: Der Taktgeber in einem Switch ist nur dafür da, den Prozessor und den Netzwerk-PHY zu synchronisieren, damit die Nullen und Einsen unfallfrei übertragen werden. Sobald die Übertragung fehlerfrei läuft (und das tut sie auch bei einem 20-Euro-Switch), bringt eine noch präzisere Clock für die Audioqualität exakt: Nichts. Ein interner Super-Clock in einem Switch löst ein Problem, das TCP/IP überhaupt nicht hat.

Die Steigerung: Der externe Clock-Anschluss

Und dann wird es richtig absurd. Es gibt Switches, die einen BNC-Eingang haben, um sie mit einer externen Clock zu synchronisieren. Ethernet ist asynchron. Es gibt in einem Ethernet-Kabel keine „Musik-Taktleitung“, die synchronisiert werden müsste. Das Datensignal im Kabel hat nichts mit dem Takt der Musik zu tun, die später aus dem Lautsprecher kommt. Ob der Switch nun intern mit einem Standard-Quarz oder extern mit einer Rubidium-Clock getaktet wird, ändert am Datenpaket rein gar nichts. Das ist, als würde man dem Postboten eine Rolex schenken, in der Hoffnung, dass der Liebesbrief dadurch romantischer wird. Der Brief (der Inhalt) bleibt gleich, egal wie präzise die Uhr des Boten ist.

Das Puffer-Paradoxon

Denn was macht der Streamer? Er nimmt die Pakete aus dem Netzwerk, packt sie aus und wirft sie in einen Buffer (Zwischenspeicher). In dem Moment, wo die Daten im Buffer landen, ist der Takt des Switches – egal ob intern veredelt oder extern synchronisiert – Geschichte. Tot. Irrelevant.

Der Streamer nimmt die Daten aus dem Buffer und taktet sie neu. Und der moderne DAC am Ende der Kette sagt dann: „Halt mal die Luft an, Streamer. Ich habe hier meine eigene Clock. Ich sage dir, wann ich Daten brauche.“ Wir haben also drei Dirigenten für ein Orchester. Und wir bezahlen Unsummen dafür, dass der Parkplatzwächter (Switch) auch einen Taktstock bekommt, obwohl das Orchester drinnen im Saal ihn gar nicht sehen kann.

Das letzte Argument der Voodoo-Priester: „Aber das Rauschen!“ (EMI/RFI)

Wenn man den Händlern erklärt, dass Bits nur Bits sind, ziehen sie meist ihr letztes Ass aus dem Ärmel: „Ja, aber ein billiger Switch hat ein billiges Netzteil. Das sendet Hochfrequenz-Müll (EMI) über das LAN-Kabel in deinen Streamer und stört den DAC.“

Klingt logisch? Ist aber technisch meist Panikmache. Hier sind die Fakten:

Ethernet hat eingebaute Airbags: Der Ethernet-Standard schreibt sogenannte Übertrager (Magnetics) an jedem Port vor. Das bedeutet: Dein Streamer und der Switch sind galvanisch entkoppelt. Industrie-Switches sind Bunker: Ein Cisco-Switch ist dafür gebaut, in einer Fabrikhalle neben einer 10.000-Volt-Schweißmaschine zu hängen und trotzdem sauber zu laufen. Glaubt ihr ernsthaft, ein bisschen Wohnzimmer-Strom bringt den aus dem Tritt? Diese Geräte unterliegen strengsten EMV-Normen, damit sie nicht stören.

Die absolute Endlösung (für wenig Geld): Wenn du wirklich panische Angst vor elektrischem Rauschen hast, kauf dir keinen 3.000 Euro „High-End-Switch“, sondern nutze Glasfaser (LWL). Ein Cisco 2960 (und viele andere Industrie-Switches) hat SFP-Ports. Steck ein LWL-Modul rein und geh mit einem Glasfaserkabel Richtung Anlage. Glas leitet keinen Strom. Null. Nada. Da kommt kein Rauschen durch. Das ist die perfekte physikalische Trennung zum Preis einer Party- Pizza.

Die Lösung der Profis: Solide Industrieware

Wisst ihr, worauf Amazon Prime läuft? Worauf Intensivstationen vertrauen? Nicht auf „Silent Angel“, „Ansuz“ oder „Melco“. Sie laufen auf Cisco, HP oder Netgear. Ein gebrauchter Cisco 2960 oder ein neuer Netgear der Business-Klasse kostet fast nichts. Er hat massive Netzteile, stabile Bauteile und macht keine Fehler. Er transportiert Daten. Punkt.

Fazit: Hört auf, Geister zu jagen – Investiert in die Realität

Machen wir einen Strich drunter. Die High-End-Branche lebt davon, uns permanent das Gefühl zu geben, dass unser System „kaputt“ oder „unvollständig“ ist, solange wir nicht das letzte Zubehörteil gekauft haben. Beim Thema „Master-Clock am Switch“ ist die Grenze vom gut gemeinten Over-Engineering hin zur technischen Esoterik überschritten.

Der „Mackern“-Investitionsplan (Wo die 3.000 € wirklich hingehören):

  • Der Raum: Investiert 1.000 € in Akustikelemente. Das bringt 500% mehr Klang als jeder Switch.
  • Die Musik: Kauft euch Musik!

Mein Rat: Holt euch einen soliden Industrie-Switch. Wenn ihr paranoid wegen EMI seid, nutzt die SFP-Ports für eine Glasfaser-Verbindung. Stellt den Kasten hinter den Schrank, vergesst ihn und genießt die Musik.

Ach noch was noch ein Mythos: „Mein DAC hat keinen Streamer, er hängt direkt am LAN!“

Einspruch, Euer Ehren. Das ist technisch unmöglich. Viele glauben, wenn sie einen DAC mit LAN-Anschluss (für Roon, AirPlay oder UPnP) nutzen, dass das Kabel direkt mit dem Wandler-Herz verbunden ist und kein „böser Streamer“ dazwischenfuscht. Die Wahrheit: Ein DAC-Chip (das Bauteil, das den Klang macht) kann kein Internet. Er weiß nicht, was TCP/IP ist. Hinter der LAN-Buchse jedes Netzwerk-DACs sitzt ein kleiner Computer (Netzwerk-Bridge). Dieser Computer ist ein eingebauter Streamer. Er nimmt die Pakete entgegen, puffert sie und füttert dann den DAC-Chip.

Egal wie „direkt“ sich die Verbindung anfühlt: Es ist immer ein Computer und ein Buffer dazwischen. Und wo ein Buffer ist, ist die Clock des Switches irrelevant.