Non Square Simple Things in hard
Non Square Simple Things in hard Hörbericht:
- Label: Mesh
- Format: Digital, Streaming, EP, Stereo
- Land: Türkei
- Veröffentlicht: 15. Oktober 2023
- Genre: Electronic
- Stil: IDM, Glitch, Experimental
- Werbung Amazon Link: Non Square
Veröffentlichung der EP Simple Things In Hard Times von Non Square
Am 15. Oktober erscheint auf dem Label Mesh die neue EP Simple Things In Hard Times des Istanbulers Korhan Oraydın, besser bekannt als Non Square. Die Musik vereint seine eigene Klangwelt mit Einflüssen von Künstlern wie Alva Noto, Apparat, Jon Hopkins und Rival Consoles. Korhan entwickelte den Sound von Non Square, der durch kräftigen Bass, komplexe Schlagzeugstrukturen, die von Noise und Glitch geprägt sind, sowie durch eindringliche Akkorde charakterisiert wird. Die Zusammenarbeit mit Max Cooper, dem Labelchef von Mesh, kam zustande, nachdem sie sich bei Sónar Istanbul durch gemeinsame Freunde, darunter Rival Consoles und Özge Cöne, kennengelernt hatten. Trotz der Sprachbarrieren fanden sie schnell eine gemeinsame Basis und beschlossen, an einem Release zu arbeiten.
Korhans Debüt-EP und der Weg zur neuen Veröffentlichung
Korhans Debüt-EP Hold On, die im Dezember 2020 veröffentlicht wurde, fand Unterstützung auf BBC Radio von bekannten Moderatoren wie Gideon Coe, Mary Anne Hobbs und Tom Ravenscroft und wurde von Mixmag Turkey gefeatured. Simple Things In Hard Times entstand vollständig im Heimstudio von Korhan in Istanbul.
Korhan beschreibt in seinen Worten, dass die Pandemie in der Türkei schlecht gemanagt wurde, was dazu führte, dass er und viele andere lange Zeit zu Hause bleiben mussten. Anfangs sei es schwierig gewesen, doch mit der Zeit habe sich eine gewisse Gewöhnung eingestellt – oder zumindest habe es den Anschein gehabt. Aus dieser Phase heraus habe er begonnen, sein Leben zu vereinfachen und die kleinen, einfachen Dinge des Alltags zu schätzen. Diese Reduktion auf das Wesentliche habe schließlich auch seinen kreativen Schaffensprozess beeinflusst und ihn dazu gebracht, nach Einfachheit in seiner Musikproduktion zu suchen.
Allerdings teile ich persönlich diese Einschätzung nicht in vollem Umfang. Meine Eltern leben in der Türkei, und meiner Erfahrung nach war die Situation differenzierter: Während ältere Menschen tatsächlich länger zu Hause bleiben mussten, hatten jüngere Generationen weiterhin die Möglichkeit, ihren täglichen Aufgaben nachzugehen, zu arbeiten und sich um die Versorgung der Älteren zu kümmern. Der Eindruck, dass die gesamte Bevölkerung eingesperrt war, erscheint daher etwas übertrieben. Es mag Korhans persönliche Perspektive widerspiegeln, doch die Realität war für viele Menschen in der Türkei weitaus vielschichtiger.
Der Track All About Moments und seine Entstehung
Der Track All About Moments, mit einer Laufzeit von 4:18 Minuten, beeindruckt durch eine kontrastreiche Verbindung von sanften, ambientartigen Klängen und kräftigen, markanten Drums, die von intensiver Elektronik untermalt werden.
Die Inspiration für dieses Stück entsprang einem besonderen Moment, den Korhan in seiner Dachwohnung erlebte. Während er an seinem Roland-Klavier saß, begann ein plötzlicher, heftiger Regenschauer. Der Klang des Regens, der sich in der Wohnung ausbreitete, verschmolz harmonisch mit den Klavierklängen und schuf eine einzigartige Atmosphäre. Dieser Augenblick, so beschreibt Korhan, war nicht nur schön, sondern löste in ihm ein tiefes Gefühl des Wohlbefindens aus.
Aus dieser Erfahrung heraus entstand die Idee zu All About Moments – ein musikalischer Ausdruck der Einsicht, dass das Leben aus einer Sammlung von guten und schlechten Momenten besteht. Der Track fängt diese Reflexion ein und lädt den Hörer dazu ein, sich in der Schönheit und Intensität solcher Augenblicke zu verlieren.
Memory Palace und die Verbindung von Klang und Erinnerung
Der Track Memory Palace (Laufzeit: 04:05) setzt sich mit einem Verfahren auseinander, das zur Verbesserung des Gedächtnisses verwendet wird. Dabei werden Visualisierungen genutzt, um Informationen zu erinnern. Korhan jedoch ersetzte die Bilder durch Klänge.
Auf Sawing Spirits (Laufzeit: 03:55) setzte er die positiven Ratschläge von Max Cooper und dem Mesh-Team um, was zu einem energiegeladenen, synthie-lastigen, ungeraden Techno-Track führte.
Der Abschluss der EP mit Everything We Miss
Der abschließende Track der EP, Everything We Miss mit einer Laufzeit von (2:46 Minuten), markiert einen besonderen Moment im Werk von Korhan Oraydın alias Non Square. Es ist sein erstes Ambient-Stück, und es trägt eine ganz persönliche Handschrift.
In diesem Stück wird Korhans eigene Stimme zum zentralen Element, das sich wie ein schwebendes Pad in die Klanglandschaft einfügt. Diese Technik ist nicht neu für ihn – bereits in früheren Werken nutzte er seine Stimme subtil, doch in Everything We Miss tritt sie deutlicher in den Vordergrund. Über Jahre hinweg hatte Korhan Melodien und musikalische Ideen spontan mit dem Mikrofon seines Handys aufgenommen, ohne dabei auf die Qualität oder Umgebungsgeräusche zu achten.
Zunächst experimentierte er damit, diese Aufnahmen mit technischen Mitteln oder virtuellen Instrumenten zu reproduzieren, doch schließlich erkannte er, dass die rohe Authentizität dieser Aufnahmen etwas Einzigartiges hatte. Seine Stimme wurde zu einer Art persönlicher Signatur, ein unverwechselbares Merkmal seiner Musik. Mit Everything We Miss wagte er es erstmals, die Grundlage eines gesamten Stücks auf seine Stimme zu stützen – und schuf so ein intimes und zugleich hypnotisches Finale für die EP.
Der Einfluss von Musik auf Kreativität und Emotionen
Egal, welche Idee ein Interpret hat, egal, was er uns mit seiner Musik mitteilen möchte, und egal, welche Geschichte er erzählen will – für mich ist entscheidend, was die Musik in mir auslöst. Die Gedanken, der Gemütszustand und die Intention des Künstlers während des Schaffensprozesses sind für ihn selbst bedeutsam, doch für mich als Hörer zählt, wie diese Klänge in meiner eigenen Welt resonieren. Der Künstler mag etwas Bestimmtes ausdrücken wollen, doch ich erwarte von Musik, dass sie mich zu mir selbst führt, mich reflektieren lässt und Raum für meine eigene Interpretation bietet.
Musik wird für mich erst zur Kunst, wenn sie mich vollständig einnimmt, wenn ich mich in ihr verlieren kann und sie zu einem Spiegel meiner Gedanken und Emotionen wird. Die Momente, in denen ein Werk solch eine Wirkung entfaltet, sind unbeschreiblich kraftvoll. Ich kann nicht immer erklären, warum genau ein bestimmter Klang oder eine unerwartete Wendung in der Musik mich so stark berührt, doch eines ist sicher: Diese Erfahrungen machen meine Gedanken kreativer und helfen mir, Probleme auf neue, ungeahnte Weise zu betrachten.
Manchmal lösen bestimmte Tracks Gefühle von Angst oder Unbehagen aus. Doch genau darin liegt der Reiz: Die bewusste Auseinandersetzung mit diesen Emotionen zeigt, dass der Künstler diese Wirkung vielleicht beabsichtigt hat – ein Spiegel seines eigenen Zustands oder seiner Vision. Diese emotionale Ehrlichkeit lässt mich umso mehr schätzen, was Musik leisten kann.
Ein gutes Setup oder eine hervorragende Stereoanlage kann diese Wirkung verstärken, indem sie die Musik in einer Klarheit und Intensität wiedergibt, wie sie vom Schöpfer beabsichtigt war. Doch am Ende bleibt eines wichtig: Kunst entfaltet ihre wahre Kraft erst, wenn sie sich vom Künstler löst und im Zuhörer ein Eigenleben entwickelt – ein Leben, das uns nicht nur nach außen, sondern vor allem nach innen blicken lässt.