Physik und Emotionen: Warum Neutralität der einzige Weg ist
Pflichtlektüre für Goldohren: Jörg Wuttke – „Das Mikrofon zwischen Physik und Emotionen“
heute muss ich mal ein Buch auf den Tisch packen, an dem eigentlich niemand vorbeikommt, der sich ernsthaft mit Audio beschäftigt. Egal ob ihr selbst aufnehmt oder „nur“ am Ende der Kette sitzt und genießt. Es geht um „Das Mikrofon zwischen Physik und Emotionen“ von Jörg Wuttke. Der Mann war Ewigkeiten technischer Leiter bei Schoeps. Das ist die Champions League der Mikrofone. Wuttkes Philosophie ist radikal, aber simpel: Ein Mikrofon soll nicht klingen, es soll übertragen.
Echte Instrumente vs. Die Realität aus dem Rechner
Eines muss man vorwegschicken (und das habe ich extra nochmal gecheckt): Wuttke behandelt in diesem Buch die akustische Aufnahme. Es geht um echte Instrumente, echte Stimmen und echte Räume. Es geht um die Physik der Luftbewegung, die auf eine Membran trifft.
Aber wir leben im Jahr 2025. Wie wir alle wissen, werden heute unzählige Titel und ganze Genres fast ausschließlich am PC oder MAC mit Software produziert. Da steht kein Mikrofon mehr im Raum, da werden Samples geschoben und Synthesizer programmiert. Ob das Ergebnis dann „neutral“ ist? Das steht oft in den Sternen und hängt allein vom Geschmack des Produzenten ab. Doch hier ist der springende Punkt: Selbst bei elektronischer Musik, bei Hip-Hop oder Pop, die nie eine echte Luftschwingung gesehen haben, bevor sie aus euren Boxen kommen, gilt das gleiche Gesetz für eure heimische Anlage. Eure Kette muss wiedergeben, was auf dem File ist. Punkt.
Die große Lüge der „Kompensation“
Das führt mich zu einem Thema, das mir auf der Zunge brennt und das ich auch auf meinem YouTube-Kanal immer wieder predige: Wie die meisten von euch wissen, versuche ich gerade, meinen YouTube-Kanal etwas größer aufzuziehen. In meinem YT-Kanal behandle ich viele unterschiedliche Themen – unter anderem fundiertes und recherchiertem HiFi-Wissen.
Dazu gehört dann aber auch, viele andere Meinungen zuzulassen. Das bedeutet eben auch, zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die klangliche Unterschiede zwischen Kabeln hören. Nicht, weil Kabel „besser spielen“ können, sondern weil sie – wenn sie gut sind – eben weniger Fehler zulassen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eben Neutralität Trumpf ist.
Es gibt da draußen immer noch Leute, die versuchen, eine schlechte Aufnahmequalität (egal ob mies mikrofoniert oder schlecht am PC gemischt) mit ihrer Anlage zu „retten“. Wer versucht, schlechte Qualität mit seiner Anlage – inklusive Kabeln – zu kompensieren, hat etwas Grundlegendes nicht verstanden. Ein Kabel ist kein Equalizer. Ein Verstärker ist kein Reparatur-Kit. Wenn die Aufnahme schechtef klingt, muss eine neutrale Anlage sie schlecht wiedergeben. Wer sich „warm klingenden“ Verstärker kauft, um nervige Höhen wegzubügeln, baut sich nur Fehler in die Kette ein. Schließlich gibt es auch Lautsprecher die sonor und bauchig klingen.
High End: Spektakel vs. Wahrheit
Was allerdings sehr viele Messtechniker vergessen, ist, dass Hochleistungsgeräte – also wirklich neutrale Komponenten – dir wie eine Lupe zeigen, was in der Kette nicht stimmt. Und zwar selbst außerhalb des reinen Messschriebes. Leider spielt die Industrie da oft ein anderes Spiel. Der größte Teil der High-End-Szene ist mittlerweile darauf bedacht, Musik so groß und spektakulär wie möglich zu hören. Warum? Weil die High-End-Industrie gefühlt jedes Jahr eine neue „Klangsignatur“ braucht, um neue Geräte zu verkaufen. Mal ist es „analoge Wärme“, mal „hyper-detaillierte Auflösung“.
Aber Wuttkes Buch erinnert daran, was das eigentliche Ziel sein sollte: Die Physik respektieren, um die Emotion durchzulassen. Allerdings ist Emotion nicht = Kreativität. Das bedeutet eben, das Emotionen auch Durchsatz findet, wenn das benutzt Mikrofon nicht perfekt ist! Wenn nun der Toningenieur ein bewusstes Gefühl mit seinem Großmembranen Mikrofon beim Zuhörer an seiner neutral Hifi- Kette auslösen will, dann soll es so sein. So wie man die Physik respektieren soll, soll man die Kreativität und die Idee der Tonmeister und der Interpreten respektieren. Zumal es nicht nur klassische Musik als Genre gibt.
Mein ausführliches Schlusswort: Mut zur Wahrheit statt teurem Pflaster
Warum empfehle ich euch also ein Buch über Mikrofontechnik, obwohl die meisten von uns „nur“ Musik hören und nicht aufnehmen? Weil Jörg Wuttke uns etwas lehrt, das in der schillernden Welt des High End oft verloren geht: Demut vor dem Signal. Aber für mich egal ob die Aufnahme selbst schon neutral aufgenommen wurde oder nicht.
Wuttke hat mit allem recht, was er schreibt. Er belegt physikalisch, dass beispielsweise Großmembran-Mikrofone das Schallfeld verzerren, unpräziser sind und das Signal „verfälschen“. Aber man darf dabei eines nicht übersehen: Die Kreativität der Künstler und Tonmeister. Ja, es geht um Emotionen – und oh Wunder! – die bekommt man auch erzeugt, wenn nicht alles perfekt dem linearen Messschrieb folgt. Oft greift ein Produzent bewusst zum „technisch unperfekten“ Mikrofon, weil genau diese Verfärbung, dieser spezielle „Schmelz“, die Stimmung des Songs trägt. Emotion entsteht oft genau dort, wo die Physik gebogen wird.
Die Aufgabe der Neutralität zuhause
Und genau hier setzen unsere neutralen High-End-Geräte zuhause ein. Manche verwechseln das: Eine neutrale Anlage bedeutet nicht, dass alles klinisch tot klingen muss. Im Gegenteil. Die Anlage muss fähig sein, die Musik exakt so wiederzugeben, wie sie aus dem Studio kommt – EGAL welches Mikrofon genutzt wurde.
- Hat der Tonmeister ein ultra-präzises Schoeps benutzt? Dann muss deine Anlage diese Reinheit zeigen.
- Hat er bewusst ein färbendes Vintage-Mikrofon für den „Vibe“ gewählt? Dann muss deine Anlage genau diese Färbung transportieren – ohne noch eigene Farbe drüber zu kippen.
Wer versucht, mit gesoundeten Kabeln oder Verstärkern nachzuhelfen, pfuscht dem Künstler ins Handwerk. Wir High-Ender sollten die Leinwand sein, auf der das Bild projiziert wird – wir sollten nicht versuchen, selbst den Pinsel in die Hand zu nehmen.
Schluss mit dem Spektakel
Ich sehe die Entwicklung der Industrie kritisch. Wir werden jedes Jahr mit neuen Geräten überflutet, die „spektakulärer“ klingen sollen. Es wird nach der neuen „Klangsignatur des Jahres“ gesucht. Kabel die in einer Größe von 2×2 Meter über 50000.- Euro kosten…. da fehlen einem die Worte. Musik braucht kein künstliches Spektakel. Wuttkes Buch „Das Mikrofon zwischen Physik und Emotionen“ erdet uns wieder. Es erinnert uns daran, dass wir am Ende der Kette stehen. Unsere Aufgabe ist es, den Weg für die Emotion so frei wie möglich zu räumen. Investiert in Wissen, investiert in Neutralität und habt den Mut, der Wahrheit ins Auge zu blicken. Dann hört ihr nämlich nicht eure Anlage, sondern die Musik. Aber sich in Sachen Gerne so zu beschränken das man am Ende nur noch Musik hören mag, die aus einem Studio kommen, welche nur noch im Sinne der Perfektion agiert, schränk sich ein. Musik ist in all seinen Fassenten so umfangreich und kann sogar auf eine kleinen und sehr günstigen Bluetooth Box Emotionen auslösen.
Bei all dieser Fraktionen wo man sich zustellen möchte. Zu behaarten wäre die folgende Frage ebenfalls:
Könnte es sein, das der Verstärker einer Serie das als Top of the Line gibt nicht künstlich vom Hersteller beschnitten ist? Um den Abstand zur kleineren Modellen zu gewährleisten? Und wenn diese Spekulation tatsächlich Wahrheitsgehalt in sich trägt, wäre die Frage: „klingen Verstärker unterschiedlich“ ziemlich schnell beantwortet.
Man sollte mehr auf die Musik eingehen um zu verstehen was der Interpret und der Tonmeister in uns auslösen möchten. Das Studio und die heimische Anlage hat genau nur diese eine Aufgabe: Uns das ohne „Verfremdung“ mitzuteilen.
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