Andy Sheppards Surrounded by Sea

Andy Sheppards Surrounded by Sea

ECM-Genuss für die Seele: Andy Sheppard „Surrounded by Sea“ – Ein Album, das dich wieder lieben lehrt!

  • Label: ECM 2432, ECM Records – 471 4273
  • Format: CD, Album, Stream, Vinyl
  • Land: Germany / Italien
  • Veröffentlicht: 17. Apr. 2015
  • Genre: Jazz
  • Stil: Contemporary Jazz
  • Amazon Link: Andy Sheppard

Ihr wisst es: Wenn bei mir eine neue Scheibe mit dem berühmten, glasklaren ECM-Logo (ja, das aus Koblenz!) auf der CD Hülle landet, dann bin ich sofort angefixt. In erster Linie natürlich, weil die Aufnahmen schlichtweg atemberaubend sind. Producer-Legende Manfred Eicher macht da keine Kompromisse, und das hört man. Manchmal, ich sag’s ganz offen, ergeben die musikalischen Stil-Experimente einiger ECM-Künstler nicht immer sofort Sinn. Aber das hier – „Surrounded by Sea“ des Andy Sheppard Quartet – ist eine Ausnahme. Ein Album, das sofort packt, tief berührt und in der Seele bleibt.

Die Crew und das Entstehungsjahr

Der britische Saxophonist Andy Sheppard hat hier sein bereits gefeiertes Trio Libero klug erweitert und damit ein echtes Meisterwerk für das Label geschaffen, das im April 2015 das Licht der Welt erblickte.

Die Besetzung liest sich wie ein kleines europäisches Jazz-Dreamteam:

Die Aufnahmen selbst entstanden übrigens im August 2014 im Auditorio Stelio Molo RSI in Lugano, natürlich unter der wachsamen und klangästhetischen Ägide von Manfred Eicher.

Autodidakt aus Leidenschaft: So kam Andy zur Musik

Was viele nicht wissen: Andy Sheppard (1957 in Warminster/Wiltshire) ist kein klassischer „Musikschul“-Gänger im herkömmlichen Sinne. Seine musikalische Karriere begann vergleichsweise spät und war von reiner Leidenschaft getrieben!

Später Start: Sheppard kam erst mit 19 Jahren zum Jazz, nachdem er die Musik von John Coltrane für sich entdeckt hatte. Ein Schlüsselerlebnis, das alles änderte. Keine Musikschule: Er ist im Wesentlichen Autodidakt. Er brachte sich das Saxophonspielen selbst bei und lernte „durch Osmose“, wie er es beschreibt – indem er einfach ständig mit anderen Musikern spielte und von ihnen aufschnappte. Er hat sich gegen das Musikstudium entschieden und sieht es heute als Bonus, sich seine ganz eigene, unkonventionelle musikalische Stimme erarbeitet zu haben.

Ein emotionales Statement: Kritik und persönliche Gefühle

Die allgemeinen Kritiken zu „Surrounded by Sea“ waren und sind herausragend. Die Presse feierte das Album als „ruhiges Meisterwerk“ und „intimes Statement“, das durch seine impressionistische Dichte und seine lyrische Schönheit besticht.

Die musikalische Stimmung wird oft als unberechenbar und launenhaft wie das Meer selbst beschrieben – meist ruhig und atmosphärisch, aber mit Momenten, in denen Emotionen aufgewühlt werden. Aarsets Gitarre und Elektronik legen dabei schwebende, Ambient-artige Klangteppiche unter Sheppards verhaltene, aber unglaublich melodische Linien.

Und genau das ist der Punkt, der mich persönlich völlig umhaut:

Persönliche Anmerkung: Alle Stücke auf dieser Scheibe sind mit soviel Leidenschaft und Gefühl versehen, dass man sich dieser Atmosphäre kaum entziehen kann. Insbesondere der Titel „Origin of Species“ hat mich vor lauter Gefühl und Liebe komplett eingenommen und in mir das längste vergessene Gefühl, lieben zu können, wieder entfacht. Ich habe mich erinnert, wie es war, zu lieben und reine Glücksgefühle zu haben. Ich weiß nicht, warum genau dieses Stück das ausgelöst hat, aber es ist passiert und es ist magisch. Danke für dieses Album! 

Der HiFi-Tipp: Wer hören will, muss aufrüsten

Und weil wir hier bei MacKern.de sind und nicht über dröge Streaming-Qualität reden: Wer dieses Album wirklich erleben will, braucht die richtige Hardware.

Wie bei allen ECM-Aufnahmen gilt: Man sollte eine HiFi-Anlage zu Hause stehen haben, die in der Lage ist, diese Feinheiten, diese Klangtiefe und diese Gefühle auch wiederzugeben. Die charakteristische Detailtiefe und Fokussierung, für die Manfred Eicher bekannt ist, muss hörbar werden. Ich selbst bin totaler Fan und freue mich wie Bolle, diese Scheibe als physisches Medium zu besitzen, um sie dann standesgemäß über meinen EMT 981 (ein Traum von einem Broadcast-CD-Spieler!) abspielen und in vollen Zügen genießen zu können.

Schlusswort: Eine Klang-Meditation für die Seele

Tja, was soll ich sagen? „Surrounded by Sea“ ist mehr als nur Jazz; es ist eine Klang-Meditation und ein Stück ECM-Kunst, das uns daran erinnert, wie emotional Musik sein kann. Es ist ein Album für die ruhigen, tiefen Momente, das eine Atmosphäre schafft, in die man für Stunden abtauchen will. Es ist diese Platte, die dich innehalten lässt, dich fühlen lässt und dich vielleicht sogar, wie mich, an längst vergessene, glückliche Momente erinnert. Packt die Kopfhörer aus, dreht die Anlage auf und lasst euch einfach fallen. Kauftipp mit Herz und Seele!

Trackliste mit meiner Kurzbeschreibung:

  1. Tipping Point (6:16) – Eröffnet das Album mit einem zarten Bass-Ostinato und Sheppards kristallklarem Tenor. Ein rhythmisches Fundament mit symphonischen Elektronik-Akzenten von Aarset.
  2. I Want to Vanish (5:15) – Eine wunderschöne, lyrische Interpretation des Elvis Costello-Stücks. Sheppard nutzt hier sein Sopransaxophon, das sanft über Benitas Bass und Rochfords Besen gleitet.
  3. Aoidh, Na Dean Cadal Idir (Part 1) (4:18) – Der erste Teil des traditionellen gälischen Volkslieds, das als thematischer roter Faden dient. Spannend, mit antreibenden, aber subtilen Rhythmen.
  4. Origin of Species (5:06) – (Das emotionale Zentrum!) Ein Stück voller Wärme und Hoffnung. Ein Paradebeispiel für die Leidenschaft und das Gefühl, das dieses Album ausmacht.
  5. They Aren’t Perfect and Neither Am I (5:09) – Sebastian Rochfords Komposition, die durch einen leicht „schrägen“ Rhythmus und eine fast psychedelische Stimmung besticht.
  6. Medication (5:03) – Ein nachdenkliches, pulsierendes Stück, bei dem Rochfords Schlagzeug-Einsatz oft als leiser Marsch beschrieben wird, der die pensive Stimmung trägt.
  7. Aoidh, Na Dean Cadal Idir (Part 2) (1:14) – Ein kurzes, atmosphärisches Interludium, das die Geschichte des gälischen Themas fortführt.
  8. The Impossibility of Silence (6:18) – Ein Titel, der Aarsets magische Klangflächen und Effekte besonders hervorhebt und in der „Viskosität“ der Elektronik badet.
  9. I See Your Eyes Before Me (3:49) – Ein schwellendes Stück mit einer cineastischen Qualität, das von Liebe auf den ersten Blick inspiriert sein soll.
  10. A Letter (4:18) – Die einzige Komposition von Michel Benita, die durch Melancholie und eine bemerkenswert stimmungsvolle Darbietung von Sheppards Sopransaxophon besticht.
  11. Aoidh, Na Dean Cadal Idir (Part 3) (3:29) – Der abschließende, verzaubernde Teil des traditionellen Volkslieds.
  12. Looking for Ornette (3:10) – Der Abschluss, der lyrisch und frei wirkt, eine Hommage an den großen Ornette Coleman.