
High-End Audio und Übernahmen: Warum Kritik an asiatischen Investoren oft Heuchelei ist
Die stille Hi‑Fi‑Revolution: Wie wir unsere High‑End-Ikonen selbst verlieren
Ein Schock – Beyerdynamic jetzt chinesisch
Im Juni 2025 verkaufte Beyerdynamic, gegründet 1924, seine Unabhängigkeit an Cosonic Intelligent Technologies aus Shenzhen – für stolze 122 Millionen Euro. Ein Traditionsbetrieb, über 375 Mitarbeitende, handgefertigte Kopfhörer im Profi‑Bereich – alles für praktisch denselben Preis wie ein Mittelklassewagen. Es klingt wie ein schlechter Witz – aber es ist Realität.
Die Presse überschlägt sich, Mitarbeiter fürchten um ihren Standort, IG Metall fordert schriftliche Garantien delamar.de. Die Führung versichert zwar: „Handmade in Germany bleibt bestehen“ swr.de. Doch tief im Hintergrund wird bereits mit den Begriffen „Chi‑Fi’d“ und „Markenhülle“ hantiert. Der Verdacht: Bald heißt es nicht mehr „Made in Heilbronn“, sondern „Made in China – mit deutschem Logo“.
Warum gerade jetzt?
Cosonic war bisher ein OEM‑Partner für Philips, JBL, Beats, Huawei & Co. swr.de. Durch den Deal erhält die Firma Zugang zu Beyerdynamics Vertriebsnetz in Europa, Amerika und China – ein strategischer Sprung für den Aufstieg zur Global‑Brand delamar.de
Und was braucht Cosonic dafür? Genau: Kapital. Das Geld stammt aus unseren Bestellungen auf AliExpress, Amazon, Temu – dort, wo wir uns den vermeintlichen „audiophilen Geheimtipp“ für 100 Euro schnappen. Broschüren‑Downgrades, Werte‑Feindlichkeit – so entsteht ein Schneeballeffekt, der uns chinesische Shoppingtouren als Kaufkraft‑Booster finanziert.
Die bittere Moral – wir sind alle schuld
Wir sind nicht Opfer. Wir sind Komplizen. Wir kaufen, vergleichen, klicken – aus dem Wunsch heraus, möglichst viel Technik fürs Geld zu bekommen. Dabei verkaufen wir Marken ihre DNA, ihre Identität, ihre Zukunft.
Die Übernahme von Beyerdynamic ist kein zufälliger Angriff, sondern ein Ergebnis unserer Selbstüberschätzung: Wir glauben, High-End zum Discounter-Preis zu bekommen – und wundern uns dann lautstark, wenn die Hüter der Qualität verenden wie alte Hunde, die man zu lange ignoriert hat.
Und plötzlich – wenn solche Meldungen aufpoppen – erwachen sie alle wieder: Die HiFi-Influencer, die sich betroffen geben, traurige Stories posten, Videos mit Schwarzweiß-Filter hochladen und das Ende der Ära beklagen. Dieselben, die zuvor dutzende Male chinesische DACs, Verstärker, Kopfhörer in die Kamera gehalten haben – verbunden mit Affiliate-Links und der Hoffnung, dass man auf „Kaufen“ klickt. Das sei ihnen gegönnt. Ganz ehrlich: Ich mache das ja selbst. Oder versuche es zumindest.
Aber genau diese Doppelmoral ist kaum mehr zu ertragen.
In den Kommentarspalten dann die Masse: Entsetzte, enttäuschte, jammernde Nutzer, die den „Verkauf unserer Seele“ anprangern – und dabei nicht merken, dass sie die Axt sind, die seit Jahren am Fundament sägt. Und da frage ich euch ganz direkt:
Wie viele chinesische Produkte hast du zu Hause?
Smartphone? Netzteil? Verstärker- Klone? Wandler DACs?, Kabel? Kopfhörer? NAS? Streamer?
Also Schluss mit der Show. Lasst uns endlich aufhören, so zu tun, als ließe sich dieser Kapitalfluss „verstehen“ oder gar moralisch aufdröseln. Natürlich geht’s ums Geld. Es ging noch nie um etwas anderes. Und es wird auch nie um etwas anderes gehen – solange wir in einem System leben, das Geld verlangt.
Du handelst genauso. Wir alle handeln so.
Und genau deshalb ist diese Übernahme nicht tragisch, sondern logisch.
Schlusswort: Das Ende ist keine Überraschung – sondern eine Konsequenz
Die Übernahme traditionsreicher Marken wie Beyerdynamic durch chinesische Konzerne mag auf den ersten Blick wie ein Schock wirken – als würde plötzlich ein Stück deutscher Ingenieurskunst untergehen, als verliere man ein Stück Identität, ein Stück Klangkultur. Doch bei genauerer Betrachtung ist es kein Schock. Es ist eine logische Konsequenz – das Ergebnis eines langjährigen Verhaltens, das wir selbst kultiviert, belohnt und propagiert haben.
Wir leben in einer Konsumgesellschaft, die nicht nur günstiger, sondern billiger will. Und zwar alles. Mehr Klang, weniger Preis. Mehr Technik, weniger Verantwortung.
Dabei wurde der Weg für diese Übernahmen längst geebnet – von all jenen, die bei jeder Entscheidung zuerst auf den Preis schauen. Von all jenen, die sich über einen Topping-DAC für unter 200 Euro freuen, aber nie hinterfragen, wie das wirtschaftlich überhaupt funktionieren kann. Von Influencern, die chinesische Geräte pushen, weil das Affiliate-Programm stimmt. Und von den Konsumenten, die bereitwillig klicken – in dem Glauben, man könne Weltklasse zum Schnäppchenpreis bekommen.
Marken wie SMSL, Fosi Audio, Topping, Douk, Aiyima oder sogar Fiio sind nicht zufällig auf dem Vormarsch. Sie haben ihren Erfolg maßgeblich uns zu verdanken – unserem Hunger nach Features, nach Testberichten, nach „besser als 2.000-Euro-Verstärker für nur 199 €“.
Das wiederum verschafft ihnen Kapital. Kapital, das dann genutzt wird, um das aufzukaufen, was wir selbst wirtschaftlich ausgehungert haben: unsere Traditionsmarken. Sie kaufen das, was wir aus der Hand gegeben haben – nicht weil sie uns etwas wegnehmen, sondern weil wir es verkauft haben.
Und auch das Medienecho ist Teil des Problems. Sobald eine Marke übernommen wird, folgen Reflexe: Betroffenheit, Entrüstung, Nostalgie. Doch all das ist letztlich Show – oft von denselben Stimmen, die zuvor die Alternativen aus Fernost in höchsten Tönen gelobt haben. Die Diskussionen darüber sind meist oberflächlich, moralisch aufgeladen, aber ohne Tiefgang. Die eigentliche Frage aber wäre:
Sind wir bereit, wieder mehr zu bezahlen, um kulturelle Substanz zu erhalten?
Wollen wir überhaupt noch Werte – oder nur Leistung pro Euro?
Dabei ist eines wichtig klarzustellen:
Die Idee, dass Beyerdynamic jetzt zu einem Billigheimer wird, halte ich für vollkommen abwegig. Im Gegenteil – ich gehe davon aus, dass unter chinesischer Hand ein echter Qualitätssprung bevorsteht. Warum?
Weil die Zeiten des billigen Plastikschrotts vorbei sind.
Damals wurden wir mit Wegwerfware überschwemmt – heute werden wir mit überraschend hochwertiger Technik zu erstaunlich fairen Preisen beliefert. Das beweisen unzählige chinesische Marken, die in Sachen Verarbeitung, Leistung und Innovation längst westliche Marken herausfordern – und oft auch überholen. Und genau diese Denkweise, diese Effizienz, könnte Beyerdynamic auf eine neue Stufe heben. Dessen bin ich mir ganz sicher.
Das alles passiert nicht im luftleeren Raum. Wir sind nicht bloß Konsumenten, wir sind Mitgestalter. Wir wählen mit jedem Klick, jedem Kauf, jedem „Gefällt mir“. Und genau deshalb tragen wir Verantwortung. Nicht allein – aber zu einem nicht zu unterschätzenden Teil.
Wenn sich deutsche oder westliche High-End-Marken künftig in chinesischer Hand befinden, dann ist das nicht das Ende. Es ist nur eine Phase im globalen Spiel von Kapital, Konsum und Kultur. Doch ob wir daraus etwas lernen – oder einfach weiter jammern und trotzdem bestellen – liegt an uns.
Vielleicht ist es an der Zeit, weniger mit dem Finger zu zeigen – und mehr in den Spiegel zu schauen.
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