Mélanie De Biasio – No Deal: Referenz-Jazz für Audiophile
Mélanie De Biasio – „No Deal“: Ein Meisterwerk der minimalistischen Klangkunst
- Label: Play It Again Sam PIASR690CDX
- Format: CD, Album, Digipak, Stream, Vinyl
- Land: Europe / Belgium
- Veröffentlicht: 2013
- Genre: Electronic, Jazz, Funk / Soul, Blues
- Stil: Contemporary Jazz, Cool Jazz, Downtempo, Rhythm & Blues, Soul, Trip Hop
- Amazon Link: Mélanie De Biasio
Wenn ich bei mackern.de über Referenzalben sprechen, steht Mélanie De Biasio’s No Deal ganz oben auf meiner Liste. Es ist nicht einfach ein Jazz-Album — es ist eine intime Klanglandschaft, die sowohl die Seele berührt als auch das HiFi-System fordert.
Wer ist Mélanie De Biasio?
Mélanie De Biasio wurde am 12. Juli 1978 in Charleroi (Belgien) geboren, als Tochter einer Belgierin und eines Italieners. Ihre musikalische Reise begann früh: Mit drei Jahren tanzte sie Ballett, mit acht Jahren begann sie Flöte zu spielen. Als Jugendliche ließ sie sich von Bands wie Nirvana, Portishead, Pink Floyd und Jethro Tull inspirieren – mit 15 Jahren sang sie sogar in einer Rockband. Später studierte sie drei Jahre Gesang am Königlichen Konservatorium in Brüssel und schloss mit „höchster Auszeichnung“ ab.
Ein einschneidendes Erlebnis prägte ihre Stimme: 2004 verlor sie während einer Tournee in Russland aufgrund einer schweren Lungeninfektion für ein Jahr ihre Singfähigkeit, wodurch sich ihr charakteristisches, geflüstertes Timbre entwickelte. Ihre musikalische Karriere ist geprägt von Kooperationen mit belgischen Jazzgrößen wie Steve Houben, Charles Loos, Michel Herr und eben auch mit den Pianisten Pascal Mohy und Pascal Paulus.
Der Weg zu No Deal
Nachdem ihr Debüt A Stomach Is Burning (2007) erschienen war, unterschrieb De Biasio 2013 bei PIAS, dem Independent-Label, das No Deal herausbrachte.
L‘ Alba – La maison des talents partagés No Deal wurde im Jahr 2013 veröffentlicht und umfasst nur sieben Stücke – eine bewusst reduzierte, minimalistische Herangehensweise, die den Fokus auf ihre Stimme legt.
Mit wem hat sie bei No Deal zusammengearbeitet?
Auf No Deal ist De Biasio von nur wenigen, aber äußerst wirkungsvollen Musikern begleitet:
- Pascal Mohy am Klavier
- Pascal Paulus an Vintage-Synthesizern und Clavinet
- Dré Pallemaerts am Schlagzeug / an den Drums
Diese reduzierte Besetzung erzeugt genau den Raum, den De Biasio für ihren luftigen Gesang und ihre Flöte braucht.
Studios & Aufnahmetechnik
Wer No Deal hört, merkt sofort: Dieses Album wurde nicht „gemacht“, es wurde gestaltet. Die Produktion ist das akustische Gegenstück zum reduzierten Art-House-Kino und verlangt der HiFi-Anlage alles ab. Hier ist der Blick hinter die Kulissen, wobei wir uns auf die Fakten konzentrieren, die diesen ultimativ intimen Sound erst möglich machten.
Der Ort des Geschehens
Das Fundament für diesen Klang-Monolithen legte De Biasio mit ihrem Team in den Motor Music Studios in Mechelen, Belgien. Ein Studio, das offenbar den Raum bot, um die notwendige Klarheit und Stille einzufangen, die das Album so einzigartig macht. Der Mix, unter anderem durch Jean Vanesse (oft im GreenHouse Studio genannt), zielte ganz klar darauf ab, diese akustische Wahrheit zu bewahren.
Das essentielle Vierer-Setup
Die eigentliche Technik steckt in der minimalistischen Besetzung, die keine instrumentale Ablenkung zulässt, sondern jeden Ton zur Geltung bringt:
De Biasios Stimme: Der Sound ist rauchig, hauchzart und extrem nah. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer bewussten, sehr nahen Mikrofonierung. Man hört das Ein- und Ausatmen, die winzigen Vokal-Texturen. Für uns Hifiholiker ist das ein Lackmustest: Ein System, das diese mikro-dynamische Auflösung nicht meistert, macht diesen Zauber flach.
Der Sound von Pascal Paulus: Vergiss das Gerede von E-Pianos. Was hier für die düstere, sphärische Tiefe sorgt, sind die Vintage-Synthesizer und das Clavinet von Pascal Paulus. Sie erzeugen diese ultratiefen, kontrollierten Bassfrequenzen, die den Raum ausfüllen und jede Membran fordern.
Die Schlagzeug-Architektur: Dré Pallemaerts‘ Drumming ist nie dominant, sondern akzentuiert und trocken. Es liefert den nötigen rhythmischen Anker, der nicht drängt, sondern subtil den „Flow“ des Albums trägt.
Die Gesamtästhetik der Aufnahme ist maximaler Minimalismus. Hier wurde nicht kaschiert, sondern Stille als gleichwertiges Instrument eingesetzt. Das Resultat ist eine intime, beinahe voyeuristische Klangbühne, die nur auf hochwertigem Equipment ihre volle räumliche Tiefe und Transparenz entfaltet. Es beweist: Man braucht nicht viel, man muss es nur richtig machen.
Klang, Stil & Bedeutung
No Deal ist kein herkömmliches Jazz-Album im traditionellen Sinne – es bewegt sich an der Schnittstelle von Jazz, Blues, Soul und Trip-Hop.
Ihre Stimme ist dunkel, rauchig, fast flüsternd, und die Instrumentierung ist sparsam, fast minimalistisch. Die Produktionsweise erzeugt eine dichte, intime Atmosphäre – jede Note, jede Pause wirkt mit Absicht, als würde man De Biasio direkt im Raum zuhören.
Meine persönliche Hörerfahrung
Nun zu meinem Eindruck, ganz im Sinne der meiner Seite: Ich bin seit Längerem Mitglied in einer WhatsApp-Gruppe, in der wir uns intensiv mit HiFi und High-End beschäftigen. Dort tummeln sich echte Hifiholiker, die nicht nur Geräte sammeln, sondern Musik leben. Kürzlich trat „Martin“ in unsere Runde – jemand mit ausgesprochen gutem Musikgeschmack. Gestern teilte er Mélanie De Biasio und ihr Album No Deal mit uns. Obwohl ich De Biasio schon länger auf dem Radar hatte, war mir dieses Album bisher entgangen – zu meiner Schande.
Umso mehr berührte es mich, als ich die ersten Töne von „With All My Love“ hörte. In der Gruppe diskutierten Martin und Uli zunächst darüber, ob der tiefe Bass von einer Orgel oder einem Synthesizer stamme. Später stellte sich heraus, dass – laut ihrer Recherche – das es ein Piano und Synthesizer ist. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, das die in Studios eine Kirchenorgel aufgestellt haben. Könnte vielleicht ein E-Piano von Fender sein aber das hatte ich so aber nirgendwo offiziell bestätigt gefunden.
Obwohl Pascal Mohy das Rhodes E-Piano grundsätzlich in seinem Repertoire führt und es für einen Jazzpianisten üblich ist, solche Instrumente zu nutzen, wurde auf dem von Ihnen referenzierten Album der spezifische elektronische Klang nicht von ihm, sondern durch die analogen Synthesizer und das Clavinet seines Mitmusikers Pascal Paulus erzeugt. Meine ursprüngliche Annahme eines Rhodes-Einsatzes durch Mohy in diesem Fall war daher vermutlich falsch, obwohl es generell ein Instrument ist, das er beherrscht und nutzt.
„Nachweislicher Rhodes-Einsatz: In einer Aufnahme, dem Stück „Swedish Schnapps“ mit dem Pascal Mohy Trio, wurde Pascal Mohy explizit mit dem Instrument Rhodes (also einem Fender Rhodes E-Piano) gelistet. Dies bestätigt, dass er diese Art von E-Piano in seinem musikalischen Spektrum verwendet.“
Nachdem das geklärt wurde (zumindest in unserer Runde), ließ ich mich vollends auf das Album ein. Ich genoss jede einzelne Nuance – die hervorragende Aufnahme, die intime Räumlichkeit, das leichte Flirren von Synths, die durch den Raum schweben wie Schatten. Ich habe viele Alben mit sehr guter Klangqualität, aber No Deal erzeugt eine Atmosphäre, die man kaum in Worte fassen kann.
Für mich ist dieses Album ein weiterer Referenz in jeder ernsthaften Sammlung. Aber: Es ist kein Plattenteller-Klangzauber für den kleinen Bluetooth-Lautsprecher – man braucht eine Anlage, die Luft, Dynamik und Tiefe wirklich abbilden kann. Nur mit entsprechendem HiFi-Setup holt man das Maximum heraus. Aus Respekt vor der Künstlerin, ihren Mitmusikern und den Toningenieuren sollte man No Deal den Raum geben, den es verdient.
Fazit – Warum No Deal weit mehr ist als ein gutes Album
No Deal ist ein Album, das man nicht einfach hört – man betritt es. Es ist ein Raum, der sich erst öffnet, wenn man bereit ist, sich auf Minimalismus, Reduktion und mikrofeine Klangdetails einzulassen. Mélanie De Biasio konstruiert ihre Musik nicht aus Fülle und Übertreibung, sondern aus Stille, Luft und Raum. Jede Note ist gesetzt wie ein Pinselstrich in einem Gemälde, in dem das Weiß mindestens so wichtig ist wie die Farbe. Was dieses Album so außergewöhnlich macht, ist seine Fähigkeit, Aufnahmequalität und emotionalen Ausdruck auf ein Niveau zu bringen, das man nur selten findet.
Die Abwesenheit von überladenen Arrangements schafft einen fast schon meditativen Zustand, in dem selbst das kleinste Atemgeräusch, die leiseste Bewegung des Fußpedals am Klavier oder das sanfte Atmen durch die Querflöte zu einem Teil der Erzählung wird. Das Album lebt von nuancierten Texturen – der warmen Präsenz des Pianos, der subtilen Tiefe der analogen Synthesizer, dem trockenen, fast stoischen Schlagzeugspiel von Dré Pallemaerts. Und über allem schwebt De Biasios Stimme: dunkel, fragil, hauchdünn und dennoch voller Kraft.
Gerade deshalb ist No Deal ein Prüfstein für jede hochwertige HiFi- oder High-End-Anlage. Ein System, das Geschwindigkeit, Raumabbildung und tonale Balance nicht beherrscht, macht dieses Album flach und bedeutungslos. Erst auf Anlagen, die Stille reproduzieren können, die dynamische Feinauflösung beherrschen und die Fähigkeit haben, Luft um Instrumente herum spürbar zu machen, entfaltet sich No Deal vollständig. Die räumliche Gestaltung ist so fein, dass ein schlecht kontrollierter Bass sofort die Illusion zerstört. Ebenso brauchen die feinen Flötenzüge und vokalen Nuancen einen Verstärker und Lautsprecher, die Transparenz ohne Härte liefern. Ein Album also nicht nur für Musikhörer – sondern für Menschen, die Klang verstehen und schätzen.
In audiophilen Kreisen wird oft inflationär von „Referenzaufnahmen“ gesprochen. Doch No Deal erfüllt diese Bezeichnung tatsächlich. Es ist ein Werk, das auf eindrucksvolle Weise zeigt, was mit sparsamer Instrumentierung, präziser Produktion und einer Künstlerin, die bewusst mit Raum und Dynamik spielt, möglich ist. Es ist ein Album für einsame Nächte, für Momente der Konzentration, für Situationen, in denen man Musik nicht nebenbei konsumieren will, sondern bereit ist, in Klang einzutauchen. Für physische Sammler – und ich zähle mich dazu – gehört No Deal in die erste Reihe: nicht nur als audiophile Referenz, sondern als emotionales Statement. Wer dieses Album besitzt, besitzt nicht nur eine Aufnahme, sondern ein akustisches Kunstwerk, das bei jedem Hören wächst und sich neu entfaltet.
Und am Ende bleibt dieser eine Satz, der sich mir unauslöschlich eingebrannt hat:
Dieses Album verlangt nicht nach Aufmerksamkeit – es zwingt sie sich.
Trackliste & Beschreibung
1. I Feel You – 1:43
Music & Lyrics: Mélanie De Biasio, Pascal Paulus
Ein flüsternder Auftakt, mehr Stimmung als Song. De Biasio öffnet die Tür zu ihrem Klanguniversum – reduziert, intim, fast körperlos. Ein Intro, das einem die Ohren wäscht und auf das Kommende vorbereitet.
2. The Flow – 5:19
Music & Lyrics: Mélanie De Biasio, Pascal Paulus
Ein hypnotischer Groove, getragen von minimalistischen Drums und schwebenden Harmonien. Ihre Stimme gleitet wie Rauch über die sparsame Instrumentierung. Der Titel hält Wort: Alles fließt – ruhig, tief, entschleunigt.
3. No Deal – 4:26
Music & Lyrics: Mélanie De Biasio, Pascal Paulus Additional Composition: Pascal Mohy
Der Titelsong ist ein Manifest der Reduktion. Ein pulsierender Bass, ein Piano wie aus der Dunkelheit heraus, und De Biasios Stimme, die fast mehr haucht als singt. Hier verdichtet sich die Ästhetik des gesamten Albums.
4. With Love – 2:54
Music & Lyrics: Mélanie De Biasio, Pascal Paulus
Ein fragiles Stück, weich und nah. De Biasio klingt, als würde sie direkt ins Ohr singen. Subtile Flötenlinien und ein leichtes Schweben bestimmen diesen emotionalen Zwischenruf.
5. Sweet Darling Pain – 6:31
Music & Lyrics: Mélanie De Biasio, Pascal Paulus
Der vielleicht düsterste Titel des Albums: langsam, schwer, intensiv. Schmerz, Sehnsucht und Einsamkeit verschmelzen zu einem hypnotischen Klangstrom. Perfekt bei Nacht – ein Track, der an den Knochen zieht.
6. I’m Gonna Leave You – 4:23
Written by Rudy Stevenson
Eine Coverversion, aber vollständig in De Biasios Welt transformiert. Der Song verliert jede klassische Soul-Struktur und wird zu einem atmosphärischen, schwebenden Lied über Abschied und Selbstbehauptung. Reduziert bis auf die Essenz.
7. With All My Love – 8:21
Collective Composition: Dré Pallemaerts, Mélanie De Biasio, Pascal Mohy, Pascal Paulus
Das monumentale Finale. Langsam aufgebaut, tief atmend, getragen von weit gespannten Flächen und meditativer Ruhe. Ein Stück, das sich Zeit nimmt – und das auch vom Hörer fordert.
Der Bass reicht tief hinab, das Piano öffnet Räume, die Synths legen eine dichte, warme Atmosphäre. Ein melancholischer, fast cineastischer Abschluss, der das Album in Kreisform bringt.
Verlinkte Quellennachweise für „No Deal“
- Wikipedia (Mélanie De Biasio)
- JazzInBelgium
- L‘ Alba – La maison des talents partagés (Bezug auf das von Mélanie De Biasio gegründete Künstlerhaus)
- The Ear (Review zu No Deal, das das kurze, minimalistische Format bestätigt)
- Discogs (Die offizielle Album-Datenbank mit den Credits)
- Bruzz (Genereller Kontext zu ihrer Arbeit und den Mitmusikern)
- GAT Uni Rostock (Wird im Kontext von Jazz/Trip-Hop/Soul-Schnittstelle genannt – es wurde keine direkte Quelle von der Uni Rostock gefunden, aber eine entsprechende Musikbeschreibung in einem Shop-Kontext, die diese Genre-Nennung aufgreift.)
- jpc (Musikshop-Seite, die Stil und Klang beschreibt)
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