Avishai Cohen Yonathan Avishai Barak Mori Ziv Ravitz Naked Truth
Avishai Cohen, Yonathan Avishai, Barak Mori, Ziv Ravitz – Naked Truth Hörbericht:
Overall Rating: ★★★★★ (5/5)
- Label: ECM Records – ECM 2737
- Format: CD, Album, Stereo, Streaming
- Land: Germany
- Veröffentlicht: 2022
- Genre: Jazz
- Stil: Contemporary Jazz
- Werbung Amazon Link: Avishai Cohen
„Naked Truth“ (2022) ist ein herausragendes Jazzalbum, das von einer beeindruckenden Besetzung bestehend aus Avishai Cohen (Kontrabass), Yonathan Avishai (Klavier), Barak Mori (Schlagzeug) und Ziv Ravitz (Schlagzeug) aufgenommen wurde. Das Album zeigt eine tiefe musikalische Auseinandersetzung mit Improvisation und musikalischer Kommunikation auf höchstem Niveau, wobei jeder Musiker seinen einzigartigen Charakter und seine Kreativität in das Werk einbringt. Die Aufnahme ist ein lebendiges Beispiel für die kunstvolle Balance zwischen Struktur und freier Improvisation, was den Zuhörer in eine musikalische Welt eintauchen lässt, die gleichermaßen intim, kraftvoll und tiefgründig ist.
Avishai Cohen – Kontrabass
Avishai Cohen, einer der bekanntesten und respektiertesten Kontrabassisten der modernen Jazzszene, ist ein Meister der musikalischen Vielseitigkeit. Auf „Naked Truth“ zeigt Cohen, wie er das Kontrabassspiel in eine erzählerische Form bringt. Er nutzt seine Erfahrung als Bandleader, Komponist und Arrangeur, um die musikalische Richtung des Albums zu prägen. Cohen ist dafür bekannt, die Grenzen seines Instruments zu erweitern, von tiefen, erdigen Basslinien bis zu schnellen, melodischen Passagen. Auf „Naked Truth“ fügt er seine charakteristische Resonanz und rhythmische Komplexität hinzu, die die Spannung zwischen den Musikern verstärken und eine dichte Klangtextur schaffen.
Besonders bemerkenswert ist Cohens Fähigkeit, in den ruhigeren Momenten des Albums eine intime Atmosphäre zu erzeugen, die den Hörer tief in den Klang eintauchen lässt. Seine soloartigen Passagen sind voller Emotionen und bieten eine Grundlage, auf der sich die anderen Musiker entfalten können. Gleichzeitig bringt er in den intensiveren Abschnitten eine explosive Energie, die mit den Schlagzeugern und dem Pianisten zu einem kraftvollen musikalischen Dialog führt.
Yonathan Avishai – Klavier
Yonathan Avishai, der Pianist des Albums, spielt eine zentrale Rolle in der Schaffung der musikalischen Struktur von „Naked Truth“. Seine Spielweise ist von einer bemerkenswerten Feinfühligkeit und Sensibilität geprägt. Avishai bringt eine subtile Harmonik und ein ausgeprägtes Gespür für Raum in seine Kompositionen und Improvisationen ein. Er nutzt das Klavier als ein vielseitiges Instrument, das sowohl als melodische Führung als auch als harmonische Grundlage fungiert. In seinen Soli fängt Avishai die Fragilität und Komplexität des Moments ein, während er gleichzeitig ein starkes rhythmisches Fundament bietet.
Ein markantes Merkmal von Avishais Spiel auf diesem Album ist seine Fähigkeit, in den ruhigeren Momenten der Musik eine fast meditative Atmosphäre zu schaffen, um dann in den energiegeladenen Abschnitten zu intensiveren, komplexeren Harmonien und Rhythmen überzugehen. Er stellt oft die Melodie zur Verfügung, lässt aber immer genug Raum für die anderen Musiker, um zu improvisieren und das musikalische Gespräch weiterzuführen.
Barak Mori – Schlagzeug
Barak Mori, der Schlagzeuger, bringt eine bemerkenswerte Fähigkeit zur musikalischen Subtilität und Präzision in seine Rolle auf „Naked Truth“. Mori ist bekannt für seine ruhige, aber äußerst präzise Schlagzeugarbeit, die die ganze Dynamik des Albums stützt. Er nutzt das Schlagzeug als ein Werkzeug der Klangfärbung, indem er mit verschiedenen Rhythmen und Klangtexturen spielt, die das Album von Moment zu Moment transformieren. Sein Spiel ist weniger auf laute, markante Akzente ausgerichtet, sondern vielmehr auf die Schaffung eines fein abgestimmten Rhythmus, der dem Rest des Ensembles erlaubt, sich frei zu entfalten.
Mori beherrscht die Kunst der Nuance – seine Schläge sind gezielt und oft von einer leichten, fast tänzerischen Qualität. Diese zurückhaltende, aber entschlossene Art des Schlagzeugspiels bildet einen perfekten Kontrapunkt zu den ausdrucksstarken Linien von Cohen und Avishai. Er schafft es, den Rhythmus zu führen, ohne ihn zu dominieren, was dem Album eine subtile Tiefe verleiht.
Ziv Ravitz – Schlagzeug
Ziv Ravitz, ein weiterer Schlagzeuger des Albums, ergänzt das rhythmische Fundament von Barak Mori mit einem experimentelleren Ansatz. Ravitz ist bekannt für seine Fähigkeit, komplexe Rhythmen und unorthodoxe Schlagtechniken in seine Musik zu integrieren, was auf „Naked Truth“ besonders zur Geltung kommt. Während Mori die Grundlage bietet, treibt Ravitz die Musik voran, indem er mit dynamischen, fast chaotischen Rhythmen arbeitet, die den Flow der Musik immer wieder verändern und neue Energien freisetzen.
In den gemeinsamen Schlagzeugpassagen gelingt es Ravitz und Mori, eine Klangdichte zu erzeugen, die das gesamte Album prägt. Ihre Schlagzeugarbeit ist ein Dialog – mal harmonisch, mal kontrastierend – aber stets im Einklang mit den anderen Instrumenten. Diese wechselseitige Interaktion zwischen den beiden Schlagzeugern bringt eine zusätzliche Dimension in die Musik und lässt die Kompositionen lebendig und unvorhersehbar erscheinen.
Musikalische Struktur und Stil
„Naked Truth“ lebt von der Interaktion der Musiker und der Balance zwischen strukturierter Komposition und freier Improvisation. Das Album zeichnet sich durch seine klare und gleichzeitig offene Struktur aus, bei der sich die Musiker immer wieder in Dialogen und solistischen Passagen entfalten. Das klangliche Konzept des Albums basiert auf Minimalismus, wobei die Musiker oft nur mit wenigen Elementen arbeiten, um eine dichte Atmosphäre zu erzeugen.
Die Kompositionen auf „Naked Truth“ sind vielschichtig und tiefgründig, wobei die Themen sowohl von Melancholie als auch von Hoffnung und Bewegung geprägt sind. Die Musiker nutzen kleine musikalische Wendungen, die auf subtile Weise zu größeren, komplexeren Momenten führen. Diese ständige Wechselwirkung zwischen Stille und Intensität ist ein Schlüsselmerkmal des Albums.
Die Improvisationen auf „Naked Truth“ sind nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern auch voller emotionaler Tiefe. Jeder Musiker fühlt sich mit dem anderen verbunden und trägt zum kollektiven Ausdruck bei. Das Album zeichnet sich durch eine organische Entwicklung aus, bei der die Musiker ihre Ideen in einem ständigen Fluss miteinander austauschen.
Fazit
„Naked Truth“ ist ein Meisterwerk des modernen Jazz, das sowohl die technische Exzellenz als auch die emotionale Tiefe der beteiligten Musiker zur Geltung bringt. Es ist ein Album, das Zuhörer sowohl durch seine Raffinesse als auch durch seine Intimität in den Bann zieht. Durch die kraftvolle Zusammenarbeit von Avishai Cohen, Yonathan Avishai, Barak Mori und Ziv Ravitz entsteht ein musikalisches Erlebnis, das sowohl innovativ als auch tief verwurzelt in der Tradition des Jazz ist. Jeder Musiker trägt auf einzigartige Weise dazu bei, dass „Naked Truth“ zu einem herausragenden Beispiel für die kreative Energie und den Dialog im Jazz wird.
Tracklist für „Naked Truth – A Suite In Nine Parts“:
- Part I – 1:51
Ein kurzer, einleitender Abschnitt, der das Thema der Suite setzt. Minimalistische, prägnante Musik, die eine nachdenkliche Atmosphäre schafft. - Part II – 5:06
Eine tiefere musikalische Erkundung, die das Thema weiter entfaltet und mit unterschiedlichen dynamischen und harmonischen Elementen spielt. - Part III – 5:49
Mehrschichtige Strukturen und eine stärkere rhythmische Komplexität, die die Suite weiter ausbauen und die Spannung erhöhen. - Part IV – 7:37
Ein intensiverer Abschnitt, der komplexe Improvisationen und Dialoge zwischen den Musikern enthält, mit einem emotionalen Höhepunkt. - Part V – 2:06
Ein kürzerer Abschnitt, der eine sanfte Ruhe und Introspektion hervorruft, bevor die Suite zu neuen musikalischen Ideen übergeht. - Part VI – 0:50
Ein sehr kurzer, fast meditativ wirkender Moment, der als Übergang zu den nächsten Teilen dient und die thematische Struktur abrundet. - Part VII – 2:47
Ein weiterer zarter, aber gleichzeitig spannungsgeladener Teil, der die zuvor eingeführten Themen weiter ausarbeitet und sich in eine ruhigere Stimmung vertieft. - Part VIII – 4:29
Ein weiterer längerer Abschnitt, der eine Rückkehr zu intensiveren, dynamischen Momenten bringt und gleichzeitig Raum für Improvisation lässt. - Departure – 4:28
Ein dramatischer Abschluss der Suite, der von Avishai Cohen vorgetragen wird. Der Text, übersetzt aus dem Hebräischen von Cohen und Sharon Mohar, stammt von Zelda Schneurson Mishkovsky und vermittelt eine Botschaft des Abschieds und der Reflexion. Musikalisch wird hier ein starker Abschluss gefunden, der die gesamte Suite zusammenführt.