Ralph Alessi Imaginary Friends

Ralph Alessi Imaginary Friends

Ralph Alessi – Imaginary Friends Hörbericht:

Overall Rating: ★★★★☆ (4/5)

  • Label: ECM Records – ECM 2629, ECM Records – 770 1817
  • Format: CD, Album, Stereo, Streaming, Vinyl
  • Country: Germany
  • Released: Februar 2019
  • Genre: Jazz
  • Style: Contemporary Jazz (Zeitgenössischer Jazz)

„Imaginary Friends“ von Ralph Alessi ist ein herausragendes Jazz-Album, das 2019 auf dem renommierten Label ECM Records veröffentlicht wurde. Das Album steht exemplarisch für die künstlerische Vision und den kreativen Geist von Ralph Alessi, einem amerikanischen Trompeter, der für seine meisterhafte Technik und seinen melodischen Einfallsreichtum bekannt ist. Es ist eine tiefgründige und introspektive Aufnahme, die durch die enge Zusammenarbeit zwischen Alessi und einer erstklassigen Gruppe von Musikern zu einem besonders intensiven Hörerlebnis wird.

Besetzung und Mitwirkende

Ralph Alessi wird auf diesem Album von einem außergewöhnlichen Ensemble begleitet:

  • Ravi Coltrane – Tenorsaxophon und Sopranino-Saxophon. Coltrane, Sohn der Jazz-Legende John Coltrane, bringt eine einzigartige Klangfarbe in das Projekt ein. Sein Spiel ist geprägt von emotionaler Tiefe und einem subtilen Verständnis für Melodien und harmonische Texturen, das in seinen Dialogen mit Alessi’s Trompete besonders zur Geltung kommt.
  • Andy Milne – Piano. Milne’s Spiel verleiht der Aufnahme eine facettenreiche Klangfülle. Er bewegt sich mühelos zwischen einfühlsamer Begleitung und virtuoser Soloarbeit, was dem Album eine harmonische Vielschichtigkeit verleiht. Seine Fähigkeit, komplexe Akkordstrukturen mit einem ausgeprägten Sinn für Raum und Dynamik zu verbinden, ergänzt Alessis kompositorischen Ansatz perfekt.
  • Drew Gress – Kontrabass. Gress ist ein langjähriger Partner von Alessi und bringt eine melodische und rhythmische Sensibilität ein, die das Fundament der Band bildet. Seine Basslinien fließen organisch durch die Kompositionen und bieten sowohl harmonische Stabilität als auch improvisatorische Freiheit.
  • Mark Ferber – Schlagzeug. Ferbers dynamisches Spiel ist sowohl präzise als auch ausdrucksstark und fügt der Aufnahme eine zusätzliche rhythmische Tiefe hinzu. Er versteht es, die subtile Balance zwischen Zurückhaltung und energischem Ausdruck zu halten, was der Musik eine pulsierende Lebendigkeit verleiht.

Produktion und Klanggestaltung

„Imaginary Friends“ wurde von Manfred Eicher, dem Gründer von ECM Records, produziert. Eicher ist bekannt für seine klanglich minimalistischen und ästhetisch anspruchsvollen Aufnahmen, die den Musikern Raum geben, ihre Ideen frei zu entfalten. Er hat es geschafft, den intimen und zugleich expansiven Charakter der Musik einzufangen, wobei die akustische Transparenz des Albums ein Markenzeichen der ECM-Produktionen ist.

Nicolas Baillard, als Toningenieur verantwortlich, hat die Aufnahme in Lugano, Schweiz, in der berühmten Auditorio Stelio Molo RSI vorgenommen. Der Klang des Albums zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Klarheit und Detailtreue aus, was den subtilen Nuancen im Zusammenspiel der Musiker gerecht wird. Die räumliche Präsenz, die Baillard der Aufnahme verleiht, ermöglicht es den Hörern, die klanglichen Feinheiten und die Interaktion der Instrumente voll auszukosten.

Musikalische Ausrichtung und Atmosphäre

Die gesamte Musik auf „Imaginary Friends“ wurde von Ralph Alessi komponiert. Seine Stücke sind durch komplexe melodische Strukturen und einen offenen Ansatz in der Harmonie gekennzeichnet. Die Musik ist gleichzeitig anspruchsvoll und zugänglich und spiegelt Alessis Fähigkeit wider, tiefgründige emotionale Aussagen mit einem hohen Grad an musikalischer Raffinesse zu kombinieren.

Die Klangwelt des Albums ist oft ruhig und nachdenklich, jedoch voller innerer Spannung und Intensität. Alessi’s Trompete spielt eine zentrale Rolle, ihre Stimme ist lyrisch und klar, und sie bewegt sich mühelos zwischen elegischen Linien und energiegeladenen Ausbrüchen. Coltrane’s Saxophon ergänzt dieses Spiel durch warme, resonante Töne und durchdringende Soli, während Andy Milne’s Klavier harmonische Bögen schafft, die eine emotionale Grundlage bieten.

Drew Gress und Mark Ferber bilden ein rhythmisches Rückgrat, das sowohl stabil als auch flexibel ist. Sie geben den Kompositionen den nötigen Halt, während sie gleichzeitig Raum für spontane musikalische Dialoge schaffen. So entsteht eine Atmosphäre der kreativen Offenheit, in der jeder Musiker die Möglichkeit hat, seine eigene Stimme einzubringen, ohne das übergeordnete Klangbild zu stören.

Kritische Rezeption

Die Veröffentlichung von „Imaginary Friends“ wurde in der Jazzwelt mit großer Anerkennung aufgenommen. Kritiker lobten besonders die harmonische Kohärenz des Albums und die Qualität der Darbietungen. Die Produktionsweise von ECM Records und die sorgfältige Gestaltung der Klanglandschaften wurden ebenfalls hervorgehoben, was den typischen, offenen Sound des Labels unterstreicht. Das Album stellt ein Beispiel dafür dar, wie zeitgenössischer Jazz komplexe Kompositionen und freie Improvisation miteinander verbinden kann, ohne an Tiefe und Emotionalität zu verlieren.

Für Jazzliebhaber und Kenner der ECM-Ästhetik bietet „Imaginary Friends“ ein fesselndes Hörerlebnis. Es ist ein Werk, das den hohen Standard moderner Jazz-Produktionen repräsentiert und zugleich Raum für die intime und persönliche musikalische Ausdruckskraft jedes einzelnen Musikers lässt.

Tracklist:

  1. Iram Issela – 9:47
    Das Eröffnungsstück beginnt mit einer eleganten Melodielinie auf der Trompete, die sich zu einem reichhaltigen, fast träumerischen Dialog zwischen den Instrumenten entfaltet. Der Track zeigt bereits die komplexe Interaktion der Band und Alessi’s lyrische Sensibilität.
  2. Oxide – 5:38
    Dieses Stück ist rhythmisch vertrackt und spielt mit überraschenden Wendungen. Der Dialog zwischen Trompete und Saxophon schafft eine dichte, atmosphärische Stimmung, während das Piano sanfte Akzente setzt.
  3. Improper Authorities – 6:06
    Eine energiegeladene Komposition mit kantigen Harmonien und intensiver Dynamik. Die Trompete von Alessi führt durch das Stück, wobei sich das Ensemble harmonisch und rhythmisch ineinander verschränkt.
  4. Pittance – 6:17
    Ein ruhigeres Stück, das sich durch eine introspektive Atmosphäre auszeichnet. Die Melodie ist sparsam und elegant, was dem Stück eine meditative Qualität verleiht, unterstützt durch Milne’s einfühlsames Klavierspiel.
  5. Fun Room – 8:25
    Der Titel ist ironisch, da sich das Stück eher durch eine nachdenkliche, manchmal melancholische Stimmung auszeichnet. Es gibt aber auch Passagen, in denen die Musiker humorvoll miteinander kommunizieren, was dem Stück eine verspielte Note verleiht.
  6. Imaginary Friends – 6:10
    Der Titeltrack ist eine komplexe Komposition, die Alessi’s Gespür für melodische Linien und harmonische Tiefe zeigt. Die Band erschafft eine klangliche Landschaft, die gleichzeitig intim und expansiv wirkt.
  7. Around The Corner – 4:01
    Ein kurzes, aber prägnantes Stück, das mit unerwarteten rhythmischen Wendungen und melodischen Ideen spielt. Es vermittelt das Gefühl von Bewegung und Veränderung, als ob die Musik sich ständig weiterentwickelt.
  8. Melee – 10:26
    Der längste Track auf dem Album und ein wahres Highlight. Das Stück ist dynamisch und improvisationsreich, wobei jedes Bandmitglied Raum zur Entfaltung bekommt. Die Spannung baut sich langsam auf und erreicht ihren Höhepunkt in intensiven Soli und Interaktionen.
  9. Good Boy – 3:42
    Ein ruhiger und beinahe melancholischer Abschluss, der das Album auf einer nachdenklichen Note enden lässt. Alessi’s Trompete steht im Vordergrund und vermittelt eine zarte, reflektierte Stimmung, die die Atmosphäre des Albums schön abrundet.

Jeder dieser Tracks spiegelt Ralph Alessi’s Fähigkeit wider, komplexe musikalische Strukturen mit emotionaler Tiefe zu verbinden. Die Kompositionen sind durchdacht, aber lassen zugleich viel Raum für die improvisatorische Interaktion zwischen den Musikern.