Jon Balke Amina Alaoui Siwan
Jon Balke, Amina Alaoui – Siwan Hörbericht:
Overall Rating: ★★★★☆ (4/5)
- Label: ECM Records
- Genre: Jazz, Folk, World, Country
- Style: Contemporary Jazz
- Year: 2009
- Format: CD, LP, Album, Stereo, Streaming
- Werbung Amazon Link: Jon Balke
Jon Balke und Siwan: Eine klangliche Reise in die Vielfalt der Kulturen
Mit seinem ambitionierten Projekt Siwan hat der norwegische Komponist und Pianist Jon Balke eine einzigartige musikalische Begegnung geschaffen, die zugleich eine Hommage an das kulturell blühende Al-Andalus darstellt. Diese Ära, geprägt durch den Austausch zwischen muslimischen, christlichen und jüdischen Kulturen im mittelalterlichen Spanien, inspirierte Balke zu einem Werk, das zeigt, wie harmonisch unterschiedliche musikalische Traditionen miteinander verschmelzen können. Die Vision von Siwan geht über die Musik hinaus und ist ein Plädoyer für Offenheit und interkulturelle Verständigung. Mit einer Besetzung von Weltklasse-Musikern und einer sensiblen Produktion unter ECM-Gründer Manfred Eicher erreicht das Projekt eine beeindruckende klangliche und emotionale Tiefe.
Jon Balke: Der kreative Kopf hinter Siwan
Jon Balke ist als Komponist und musikalischer Leiter die treibende Kraft hinter Siwan. Balke hat im Laufe seiner Karriere immer wieder Projekte verwirklicht, die Jazz, Weltmusik und klassische Einflüsse miteinander verbinden. In Siwan geht er noch einen Schritt weiter und vereint Musiker und Musikinstrumente aus ganz unterschiedlichen Kulturen und musikalischen Traditionen. Sein Ansatz ist weniger auf die Entstehung eines spezifischen Genres fokussiert, sondern eher auf die Schaffung eines Dialogs zwischen den Klangwelten. Mit einer komplexen, fein abgestimmten Komposition lässt Balke die Musiker miteinander kommunizieren und lädt die Zuhörer ein, an dieser klanglichen Begegnung teilzunehmen.
Amina Alaoui: Die Botschafterin der Poesie
Die marokkanische Sängerin und Dichterin Amina Alaoui ist das Herz und die Seele von Siwan. Mit ihrer beeindruckenden Stimme interpretiert sie Gedichte und Texte von Sufi-Dichtern, christlichen Mystikern und Troubadours und verbindet so die Literatur und Philosophie verschiedener Kulturen. Alaoui singt auf Arabisch, Portugiesisch und Spanisch, und ihr Vortrag verleiht den Texten eine Tiefe und Emotion, die den Zuhörer unmittelbar berühren. Ihre Präsenz in Siwan ist ein zentraler Bestandteil des Projekts, da ihre Stimme eine Brücke zwischen den Welten schlägt und den spirituellen Kern von Balkes Vision zum Ausdruck bringt.
Die Featured Artists: Meister ihres Fachs aus verschiedenen Welten
Für Siwan hat Balke eine beeindruckende Reihe an Künstlern versammelt, die alle ihre eigenen einzigartigen Klangfarben und Hintergründe in das Projekt einbringen. Das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Musiker erzeugt eine faszinierende Vielfalt an Klangtexturen und Rhythmen.
- Jon Hassell (Trompete, Elektronik): Der renommierte Trompeter und Klangpionier Jon Hassell bringt eine hypnotische Atmosphäre in das Projekt ein. Bekannt für seine Arbeit an der Schnittstelle von Jazz und Weltmusik, fügt Hassell der Musik von Siwan eine Traumhaftigkeit hinzu, die den Hörer in eine klangliche Zwischenwelt entführt.
- Kheir Eddine M’Kachiche (Violine): Der algerische Geiger Kheir Eddine M’Kachiche verleiht der Musik mit seinem nordafrikanischen Geigenstil eine emotionale Intensität und schafft mit seinen leidenschaftlichen Improvisationen Momente von großer Tiefe und Authentizität.
- Helge Norbakken (Perkussion) und Pedram Khavar Zamini (Zarb): Der norwegische Perkussionist Helge Norbakken und der persische Meistertrommler Pedram Khavar Zamini schaffen mit ihren Perkussionsinstrumenten eine klangliche Grundlage, die orientalische und westliche Rhythmen vereint und dem Projekt eine rhythmische Struktur verleiht, die zugleich dynamisch und meditativ ist.
Die Barokksolistene: Die alten Meister der neuen Musik
Eine zentrale Rolle in Siwan spielen die Barokksolistene, ein renommiertes norwegisches Barockensemble, das unter der Leitung von Bjarte Eike traditionelle Barockmusik mit moderner Spielfreude interpretiert. Die Barokksolistene sind bekannt für ihre Experimentierfreudigkeit und ihre Offenheit gegenüber anderen Musiktraditionen. Sie bringen Balkes Kompositionen eine historische Tiefe und geben ihnen eine warme, organische Klangtextur. Die Vielfalt der Instrumente, von Violinen und Violen bis hin zu Cello und Kontrabass, lässt das Ensemble wie ein orchestrales Fundament wirken, auf dem die Solisten ihre kreativen Ausdrücke entfalten.
Zu den herausragenden Mitgliedern der Barokksolistene gehören:
- Per Buhre, Peter Spissky, Anna Ivanovna Sundin und Miloš Valent (Violine): Ihre Virtuosität und ihr Zusammenspiel verleihen dem Ensemble harmonische Kraft und eine große klangliche Vielfalt.
- Rastko Roknic und Joel Sundin (Viola): Die Bratschen fügen der klanglichen Basis des Ensembles eine tiefe, warme Schicht hinzu.
- Tom Pitt und Kate Hearne (Violoncello): Die Cellisten schaffen ein solides, resonantes Fundament, das die melodischen und rhythmischen Elemente des Projekts unterstützt.
- Mattias Frostensson (Kontrabass): Frostenssons Bass verleiht dem Ensemble eine erdige Stabilität und verstärkt die tiefen Klangfarben.
- Andreas Arend (Theorbe, Archlaute) und Hans Knut Sveen (Cembalo, Clavichord): Die historischen Instrumente wie Theorbe und Cembalo geben den Kompositionen einen authentischen Barockklang und schaffen eine musikalische Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Manfred Eicher: Die Produktion als klangliche Kunst
Produzent Manfred Eicher, Gründer des ECM-Labels, beschreibt die Aufnahmen zu Siwan als „ein Ereignis voller Frische und Klarheit“. Unter Eichers Leitung entsteht eine klangliche Balance, in der die musikalische Individualität jedes Mitwirkenden zur Geltung kommt, während gleichzeitig das Ensemble als harmonisches Ganzes wahrnehmbar bleibt. Eichers einzigartige Fähigkeit, den Raum für die musikalische Interaktion und die klangliche Transparenz zu schaffen, ist für das Gelingen von Siwan entscheidend. Durch seine sensible Produktion kann das Publikum die subtilen Nuancen der einzelnen Instrumente und Stimmen in einer fast körperlichen Präsenz erleben.
Siwan als transkulturelle Vision: Musik als Sprache der Verständigung
Siwan ist nicht nur eine musikalische Reise in vergangene Zeiten, sondern auch eine zeitgenössische Vision der Verständigung und des Dialogs zwischen Kulturen. Die Konzerte, die aus diesem Projekt hervorgegangen sind, werden weltweit begeistert aufgenommen und beweisen, dass die Botschaft von Siwan universelle Resonanz findet. Doch die Studioaufnahme bleibt ein einzigartiges Dokument, das den Moment des Entdeckens festhält und zugleich eine zeitlose Reflexion über das Potenzial interkultureller Zusammenarbeit darstellt.
Mit Siwan hat Jon Balke ein Werk geschaffen, das die Kraft der Musik als universelles Kommunikationsmittel feiert und zeigt, wie Kunst eine Brücke zwischen den Menschen und ihren Kulturen schlagen kann.
Tracklist:
- Tuchia – 4:52
Ein atmosphärisch eröffnendes Stück, das arabische und barocke Einflüsse vereint und die melancholische Stimmung Andalusiens einfängt. - O Andalusin – 2:26
Eine kurze, intensive Hommage an das historische Al-Andalus mit rhythmischer Präzision und starken Melodielinien, die den Geist dieser Epoche beschwören. - Jadwa – 5:17
Sanfte Klänge und poetische Vocals verschmelzen in diesem Track und lassen Amina Alaouis Stimme mit einer meditativen Atmosphäre erstrahlen. - Ya Safwati – 5:18
Ein ruhiges und gefühlvolles Stück, das arabische Poesie und subtile Instrumentierung kombiniert und eine nostalgische Stimmung erzeugt. - Ondas Do Mar De Vigo – 4:29
Inspiriert von galizischer Lyrik, entfaltet dieser Track wellenförmige Melodien und greift die Naturbilder des Atlantiks auf, transportiert durch eine wehmütige Klangstruktur. - Itimad – 6:42
Ein tiefgründiges und introspektives Stück, das mystische Stimmungen und Amina Alaouis Stimme in einen eindringlichen Dialog mit der Instrumentierung setzt. - A La Dina Dana – 3:27
Lebendig und rhythmisch ansteckend, vermittelt dieses Stück eine ausgelassene, tanzbare Energie mit folkloristischen Elementen. - Zahori – 4:57
Geheimnisvoll und schwebend, zeichnet sich dieser Track durch seine ätherischen Klänge und subtilen Harmonien aus, die an die Weiten der Wüste erinnern. - Ashiyin Raïqin – 4:13
Ein sanfter, lyrischer Track, der arabische und europäische Klangfarben vereint und sich durch eine delikate Balance zwischen Stimme und Begleitung auszeichnet. - Thulâthiyat – 10:04
Ein ausgedehntes und komplexes Stück, in dem die Musiker einen intensiven, dynamischen Austausch schaffen, der die Bandbreite der musikalischen Traditionen zeigt. - Toda Ciencia Trascendiendo – 12:22
Ein epischer Abschluss des Albums, der spirituelle und intellektuelle Themen aufgreift, mit sich steigernden instrumentalen Schichten und tiefgründigen Texten, die über das Transzendieren des Wissens reflektieren.