Jakob Bro, Arve Henriksen, Jorge Rossy – Uma Elmo CD Cover worauf ein Boder eine Wand zu sehen ist, das sandig wirkt

Jakob Bro Arve Henriksen Jorge Rossy – Uma Elmo

Jakob Bro, Arve Henriksen, Jorge Rossy – Uma Elmo Hörbericht:

  • Label: ECM Records – ECM 2702
  • Format: CD, Album, Stereo, Vinyl, Streaming
  • Land: Germany
  • Veröffentlicht: 12. Feb. 2021
  • Genre: Jazz
  • Stil: Contemporary Jazz / Zeitgenössischer Jazz / Avant-garde Jazz / Experimental
  • Amazon Link: Jakob Bro

Leute, wenn ECM ruft, dann spitzen wir hier die Ohren. Das Album Uma Elmo, das 2021 auf dem legendären Münchner Label erschienen ist, ist genau der Stoff, für den wir unsere Anlagen gebaut haben. Es ist eine Zusammenarbeit, die auf dem Papier schon Gänsehaut verursacht: der dänische Gitarren-Poet Jakob Bro, der norwegische Trompeten-Magier Arve Henriksen und der spanische Schlagzeug-Feingeist Jorge Rossy. Was hier passiert, ist keine wilde Jam-Session, sondern subtile, introspektive Jazzkunst auf allerhöchstem Niveau. Hier werden experimentelle und traditionelle Elemente nicht einfach gemischt, sondern verwoben – und der wahre Star ist oft der Raum zwischen den Tönen.

Jakob Bro – Der Gitarrist als Erzähler

Jakob Bro ist keiner von diesen Flitzefingern, die euch mit 1000 Noten pro Sekunde beeindrucken wollen. Nein, er ist bekannt für seine stille, aber unfassbar tiefgründige Arbeit an den Saiten. Auf Uma Elmo baut er eine hypnotische, fast meditative Klanglandschaft, in die man förmlich hineinfällt. Seine Gitarre bildet oft den ruhigen, stabilen Mittelpunkt des Albums, das Fundament, auf dem die anderen erst glänzen können. Bro nutzt alles, was sein Instrument hergibt: sanfte Arpeggien, zarte, fast zerbrechliche Akkorde, die im Raum stehen bleiben wie eine Frage. Er hat es nie eilig. Stattdessen kreiert er eine langsame, fließende Dynamik, die dem Zuhörer endlich mal Luft zum Atmen und zur Reflexion lässt.

Bro gehört nicht umsonst zur Speerspitze des modernen europäischen Jazz. Seine Fähigkeit, Emotionen und ganze Geschichten mit einer Handvoll Noten zu erzählen, ist schlichtweg genial. Er nutzt seine Gitarre als Verlängerung seines eigenen Ausdrucks, sucht den Dialog, drängt sich aber nie egoistisch in den Vordergrund. Das ist wahre Meisterschaft.

Arve Henriksen – Die Trompete als Stimme

Dann haben wir Arve Henriksen. Wer diesen Mann kennt, weiß: Das klingt oft gar nicht mehr nach Trompete. Er ist ein Meister darin, sanfte, fast gespenstische Töne zu erzeugen, die eher an eine Flöte oder eine menschliche Stimme erinnern. Auf Uma Elmo fügt er sich nahtlos in diesen transparenten Klangraum ein, den Bro und Rossy aufspannen. Henriksen pfeift auf traditionelle Grenzen. Seine Spielweise ist fließend, meditativ und von einer vokalen Ausdruckskraft, die einem Schauer über den Rücken jagt. Er bläst durch die Rohröffnung, zupft an den Saiten (metaphorisch gesprochen) und entlockt dem Blech unorthodoxe, ätherische Klänge. Es flüstert, es singt, es schwebt – und verstärkt diese verträumte, fast transzendentale Atmosphäre des Albums ins Unendliche.

Henriksen, den mancher vielleicht von Ensemble Shining kennt, bringt hier seine unverwechselbare Klangästhetik voll zur Geltung. Kein aggressives Getröte, sondern innere Ruhe und klangliche Transparenz. Das schiebt das Album ganz klar in eine spirituelle Richtung.

Jorge Rossy – Der Schlagzeuger als Zeitgeber

Und schließlich Jorge Rossy. Der Spanier ist nicht nur technisch eine Bank, sondern er hat dieses seltene Gespür dafür, wie man ein Trio steuert, ohne laut zu werden. Auf Uma Elmo ist Rossy der Puls, das Herzschlag. Sein Schlagzeugspiel ist radikal minimalistisch. Er hämmert keine Rhythmusmuster durch, er gestaltet Räume. Seine Begleitung ist unaufdringlich, wie ein ruhiger Fluss, der alles sanft vorantreibt, ohne je zu dominieren.

Rossy hat das Talent, genau auf der Kante zwischen Präsenz und Zurückhaltung zu balancieren. Mit sanften Becken-Anschlägen, einer leisen Snare und subtilster Perkussion sorgt er für die emotionale Tiefe. Er ordnet sich dem improvisatorischen Fluss unter und vermeidet es tunlichst, starre Strukturen zu erzwingen. Genau so muss das bei dieser Art von Musik sein.

Die Musik auf Uma Elmo – Subtilität und Transzendenz

Kommen wir zum Eingemachten: Die Musik von Uma Elmo ist geprägt von einer tiefen, fast heiligen Stille. Es ist eine Einladung, die Welt da draußen abzuschalten und in offene Klangräume einzutauchen. Erwartet keine Explosionen, keine lauten Ausbrüche. Das Album ist eine kontinuierliche, fließende Erzählung, die vor allem zwischen den Tönen lebt. Die Musiker zelebrieren eine Philosophie der Offenheit – jeder Moment ist eine Chance für Spontaneität.

Die Kompositionen basieren stark auf Improvisation, was dem Ganzen diese unglaubliche Lebendigkeit verleiht. Gleichzeitig gibt es genug Struktur, damit es nicht in beliebiges Gedudel abdriftet. Diese Balance zwischen Freiheit und Rahmen sorgt für eine Spannung, die man greifen kann.

Es gibt auf Uma Elmo Mut zur Lücke, Mut zur Stille. Wenige Töne werden in den Raum gestellt, von den anderen aufgenommen und weitergetragen. Die Interaktion ist intim, fast privat. Man fühlt sich, als würde man die drei Musiker bei einem sehr persönlichen Gespräch belauschen.

Fazit: Ein Fest für die Sinne

Uma Elmo ist ein Werk, das durch seine subtile, intime Musikalität und die blinde Verständigung der drei Protagonisten besticht. Jakob Bro, Arve Henriksen und Jorge Rossy haben hier eine Klangwelt erschaffen, die Jazz-Grenzen verschiebt und dabei zutiefst menschlich bleibt. Es ist nichts für den schnellen Konsum nebenbei. Es ist für Zuhörer, die Tiefe suchen, die emotionale Ehrlichkeit wollen und bereit sind, sich fallen zu lassen.

Aber jetzt mal Tacheles zur Technik: Mit einer neutral abgestimmten High-End-Hi-Fi-Anlage geht hier die Sonne auf. Die Details, die Nuancen, das Atmen der Instrumente – auf Uma Elmo ist das alles in referenzverdächtiger Klarheit eingefangen. Man hört die Musik nicht nur, man spürt sie physisch im Raum stehen. Die Aufnahme ist so präzise, so feinfühlig, dass sie einen Raum öffnet, den man im Alltag sonst nicht findet. Jeder Titel zieht den Zuhörer förmlich in ein audiophiles schwarzes Loch. Alle Ablenkungen verschwinden. Man ist dieser perfekten Aufnahme ehrfürchtig ausgeliefert, wird getragen und landet auf einer Ebene der Wahrnehmung, die süchtig macht. ECM liefert hier wieder ab, dass es eine Freude ist.

Tracklist und meine Eindrücke der Titel:

  • Reconstructing A Dream (9:17)
    Was für ein Einstieg! Ein episches Stück, das einen sofort abholt. Fließend, verträumt, baut es ganz langsam eine atmosphärische Spannung auf. Meditativ, nachdenklich – der perfekte Opener, um runterzukommen.
  • To Stanko (4:33)
    Eine Verbeugung vor dem großen Tomasz Stańko. Zarte Melancholie pur. Die Trompete weint fast, minimalistisch begleitet von der Gitarre. Intim, respektvoll, wunderschön.
  • Beautiful Day (5:03)
    Hier kommt Licht ins Spiel. Verspielt, hoffnungsvoll, fast fröhlich, aber ohne platt zu sein. Die Musik behält ihren Tiefgang, wirkt aber leichter.
  • Morning Song (6:55)
    Der Soundtrack für den Sonnenaufgang. Sanft, atmosphärisch, spirituell. Trompete und Gitarre malen hier Klangfarben, die Frieden ausstrahlen.
  • Housework (11:05)
    Ein Brocken von einem Stück. Länger, komplexer. Hier werden Ideen verwoben, Improvisation trifft auf greifbare Spannung. Die Interaktion der drei ist hier besonders dynamisch und spielerisch.
  • Music For Black Pigeons (7:54)
    Meditativ und melancholisch. Eine geheimnisvolle Nummer. Die Musik fließt wie ein Naturgeräusch, filigrane Trompetenklänge treffen auf sanfte Gitarrentupfer. Großes Kino.
  • Sound Flower (5:55)
    Vielschichtig und fließend. Eine sanfte Präsenz, die sich im Raum ausbreitet. Das Zusammenspiel von Trompete und Gitarre ist hier besonders lebendig.
  • Slaraffenland (3:52)
    Kurz, fast folkloristisch, leicht und unbeschwert. Ein verspielter Kontrapunkt zur sonstigen Schwere, der einfach Spaß macht.
  • Morning Song (Var.) (7:07)
    Eine Variation des bekannten Themas. Neue Interpretation, erweiterte Improvisation. Die Melodie ist vertraut, aber der Blickwinkel ist frisch. Ein würdiger Abschluss.