
Jean Hiraga Le Petit
Jean Hiragas „Le Petit“
Ein Breitbänder-Mythos im Fokus
Wie ein scheinbar simpler Lautsprecher zur Legende wurde – und warum viele Nachbauten an seinem wahren Wesen für mich vorbei- zielen.
Jean Hiraga: Pionier der Reduktion
Jean Hiraga gilt als Ikone des audiophilen Undergrounds. Der französische HiFi-Visionär und Mitgründer der Kultzeitschrift L’Audiophile verfolgte bereits in den 1970er-Jahren ein klar puristisches Konzept: keine technischen Exzesse, keine monströsen Chassis, sondern eine Rückbesinnung auf das Wesentliche – die Musik selbst.
Sein legendäres Lautsprecherprojekt „Le Petit“ verkörpert diese Philosophie exemplarisch. Es handelt sich um einen minimalistischen Breitbandlautsprecher in einem schlichten Gehäuse – ohne Weiche, ohne Schnickschnack – mit einem Klangbild, das bis heute DIY-Enthusiasten weltweit in seinen Bann zieht. Doch was genau macht das so besonders? Und warum scheitern so viele Clones an der Magie dieses unscheinbaren Konzepts?
Was ist „Le Petit“?
Minimalismus als klangliches Dogma
„Le Petit“ steht für audiophile Reduktion in ihrer reinsten Form. Der Aufbau beschränkt sich auf einen einzigen Breitbandtreiber – häufig handelt es sich um den Fostex FE103 oder den heute nur noch schwer erhältlichen Coral Beta 8 – der in ein kompaktes Bassreflex– oder offenes Gehäuse montiert ist. Es gibt keine Frequenzweiche und keinerlei überflüssige Dämpfung.
Das Ziel dieser Konstruktion ist eine möglichst kohärente und lebendige Wiedergabe von Stimmen und akustischen Instrumenten – nicht die Erzeugung von Tiefbass oder Discolautstärke. Wer diese sucht, ist bei „Le Petit“ falsch. Dafür bietet der Lautsprecher etwas, das viele moderne Designs nicht mehr erreichen: Impulstreue, Klarheit und eine frappierende Natürlichkeit.
Betrieben mit einem Röhrenverstärker – etwa einer 2A3-, 300B- oder EL84-Endstufe mit 3 bis 10 Watt Ausgangsleistung – entfaltet „Le Petit“ ihr volles Potenzial. Stimmen wirken greifbar und körperhaft, Gitarren erklingen direkt vor dem Hörer, und bei korrekter Aufstellung öffnet sich eine erstaunlich tiefe und glaubwürdige Bühne. Es ist, als würde man durch ein glasklares Fenster direkt in die Aufnahme blicken – unverfälscht und unmittelbar. Und natürlich die passende Transistor-Endstufe Le Monstre nicht zu vergessen.
Technische Eckdaten
Der bevorzugte Treiber Fostex FE103 – in Varianten wie dem FE103En – deckt einen Frequenzbereich von etwa 70 Hz bis 18 kHz ab. Der Wirkungsgrad liegt zwischen 88 und 90 dB bei einer Impedanz von 8 Ohm. Damit ist dieser Treiber ideal auf Röhrenverstärker mit geringer Leistung abgestimmt.
Das Gehäusevolumen beträgt rund 25 Liter und ist auf schnellen, trockenen Bass ausgelegt. Die Prototypen aus dem Jahr 1977 wurden vermutlich und typischerweise aus Sperrholz gefertigt – damals ganz normal und klanglich überzeugend. Erst bei der Vorstellung 1984 setzte man auf MDF. Heute gilt MDF als Material der Wahl, weil es günstiger in der Anschaffung ist und der Vorstellung durch L`Audiphile aus 1984 entspricht. Wenn man es so will könnte man sagen, aus dem originalen Bauplan.
Alle technischen Daten und Empfehlungen lassen sich durch Originalpläne aus L’Audiophile, technische Dokumente von Fostex sowie Diskussionen auf diyaudio.com bestätigen.
Clones: Die Sehnsucht nach klanglicher Perfektion
Der Mythos zum Selberbauen
Die radikale Einfachheit von „Le Petit“ macht sie zur idealen Plattform für DIY-Enthusiasten. Die verwendeten Bauteile sind erschwinglich, die Konstruktion überschaubar, der Ruf legendär. Kein Wunder also, dass sich unzählige Nachbauten weltweit finden lassen.
Doch viele dieser Clones entfernen das Erlebnis mit der Le Petit das ich vor vielen Jahren in Verbindung mit der Le Monstre, Le Tube und Le Pre Pre hatte! Das war Offenbarung das ich so gerne wieder hören würde. Alle Konzepte die ich bis Dato in der aktuell „moderneren“ MDF Variante gehört habe, haben bisweilen nicht zugesagt. Aber natürlich ist das meist eine Frage des Geschmacks.
Ja! Ich kenne „Le Petit“ als Sperrholz-Variante, und die hatte mich damals klanglich umgehauen.
Typische Abweichungen und ihre Folgen
Viele Selbstbauer verwenden moderne Treiber wie den Tang Band W3-881 oder den Dayton PS95. Diese bieten zwar oft einen erweiterten Bassbereich und eine höhere Belastbarkeit, doch sie klingen meist weniger feinfühlig und filigran als der klassische Fostex FE103.
Auch beim Gehäusematerial könnte man experimentieren: Statt Sperrholz wird gerne MDF verwendet – was Geschmacksache ist. Und um ehrlich zu sein, der Vorstellung durch L`Audiosphile aus dem Jahre 1984 entspricht. Ebenso verbreitet sind Experimente mit Transmission-Line- oder Horngehäusen. Diese liefern zwar mehr Druck und Pegel, gehen jedoch oft auf Kosten der Leichtigkeit und der phasenkohärenten Mittenabbildung, die „Le Petit“ auszeichnen.
Ein weiterer typischer Fehler ist die nachträgliche Integration von Frequenzweichen, die Jean Hiraga bewusst vermieden hatte. Zwar sollen sie den Klang „glätten“, doch oft büßen die Lautsprecher dadurch an Impulsverhalten und Direktheit ein.
Laut Tests auf Plattformen wie hifi-selbstbau.de oder tnt-audio.com bieten Lautsprecher wie der Dayton PS95 oder Tang Band-Modelle durchaus solide Ergebnisse – jedoch mit einem „modernen“, oftmals analytischeren Charakter. Hornkonstruktionen steigern zwar den Wirkungsgrad, opfern aber die außergewöhnliche Mittenpräzision des „Originals“.
Klangbild: Wo liegt die Magie von „Le Petit“?
Das Original: Eine Lehrstunde in Natürlichkeit
„Le Petit“ klingt wie ein perfekt gezogener Espresso: konzentriert, intensiv, schnörkellos. Die Mitten sind frappierend klar, Stimmen klingen organisch und authentisch. Das Timing ist außerordentlich präzise, während der Bass zurückhaltend, aber stets kontrolliert bleibt – ohne jegliches Wummern oder Nachschwingen.
Wird der Lautsprecher mit einem passenden Röhrenverstärker oder einem Class-A-Transistorverstärker ohne starke Gegenkopplung betrieben, entsteht eine glaubwürdige Bühne, die sich tief und offen in den Raum entfaltet – vorausgesetzt, die Aufstellung stimmt.
Die Clones: Klanglich oft kräftiger, aber weniger poetisch
Viele Nachbauten klingen auf den ersten Eindruck kraftvoller und bassstärker. Das kann bei Pop- oder Rockmusik durchaus reizvoll wirken. Doch gerade bei günstigen Treibern wie dem Dayton PS95 tritt ein eher nasaler oder aggressiver Klang zutage, wie Tests auf hifisound.de zeigen.
Aufwändige Gehäusekonzepte wie Backloaded Horns erzeugen beeindruckenden Druck, gehen aber auf Kosten der Luftigkeit und Natürlichkeit. Sinkt der Wirkungsgrad unter 85 dB, passen viele Clones nicht mehr zu schwachbrüstigen Röhrenverstärkern – womit das zentrale Konzept Hiragas verfehlt wird.
Fazit: Die Kunst, das Wesentliche zu bewahren
„Le Petit“ ist weit mehr als nur ein Lautsprecher – es ist ein audiophiles Manifest. Jean Hiraga bewies mit diesem Design, dass musikalische Wahrheit nicht durch technische Überkomplexität entsteht, sondern durch Reduktion, Konsequenz und eine klare Haltung.
Es ist kein Zufall, dass „Le Petit“ keinen mächtigen Tiefbass oder hohe Pegel liefert. Seine Stärke liegt in der inneren Kohärenz, der Impulstreue und der Fähigkeit, die Musik atmen zu lassen. Sänger wirken greifbar, akustische Instrumente berühren unmittelbar, und die Bühne entfaltet sich lebendig und ungezwungen.
Dieses Konzept bleibt zeitlos – und gerade deshalb fasziniert „Le Petit“ bis heute viele DIY-Enthusiasten. Doch wer sich an einen Nachbau wagt, sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein.
Klang ist Haltung
Jean Hiraga hat verstanden, dass Musik keine Spektakel braucht – sondern Ehrlichkeit. „Le Petit“ ist kein Lautsprecher im klassischen Sinne, sondern ein Fenster zur Seele der Musik. Wer ihn nachbauen möchte, sollte dies mit Demut tun und nicht mit dem Anspruch, ihn zu „verbessern“.
Denn Hiraga sagte einst:
„Hören, nicht messen.“
Und genau darin liegt der wahre Kern von „Le Petit“.
Tipps für Selbstbauer
So bleibt der Nachbau dem Original treu:
Komponente | Empfehlung |
---|---|
Treiber | Fostex FE103En, FE103-Sol oder Coral Beta 8 |
Gehäuse | 25 mm MDF, 23–25 Liter, Bassreflex |
Dämpfung | Minimal (z. B. dünner Filz) |
Frequenzweiche | Keine, höchstens 2–4 µF Kondensator (Hochpass) |
Verstärker | Röhren (3–10 Watt), Class A ohne Gegenkopplung |
Aufstellung | Frei im Raum, mindestens 50 cm Abstand zur Wand |