
HiFi Sucht- Wenn das Streben nach dem perfekten Klang zur Endlosschleife wird
HiFi-Sucht: Der endlose Kreislauf auf der Jagd nach dem perfekten Klang
Einleitung
Ich bin seit vielen Jahren im Bereich HiFi und High End unterwegs. Was als leidenschaftliches Streben nach bestmöglicher Musikwiedergabe beginnt, kann sich bei manchem Musikliebhaber zu einem schwer greifbaren Phänomen entwickeln, das in seinen Mechanismen durchaus Parallelen zu klassischen Suchtverläufen zeigt.
Das Streben nach dem perfekten Klang – eine unlösbare Aufgabe?
Der Wunsch nach der perfekten Klangwiedergabe ist ein Ziel, das naturgemäß nie vollständig erreicht werden kann. Musik ist subjektiv, ebenso wie das Empfinden für Klang. Technische Verbesserungen sind begrenzt, und ab einem gewissen Punkt bewegen wir uns nur noch in Nuancen. Dennoch suggerieren uns Zeitschriften, Händler, Messeveranstalter und inzwischen auch unzählige Foren und Social-Media-Plattformen, dass mit jedem neuen Gerät, jedem neuen Kabel oder jeder neuen Streaming-Plattform eine klangliche Offenbarung auf uns wartet.
Uns wird eingeredet, wir könnten unsere CD- oder LP-Sammlung völlig neu entdecken. Eine Form der Indoktrination, die geschickt mit unseren Erwartungen, Sehnsüchten und der Hoffnung spielt, endlich das Optimum zu finden. Doch gerade hier beginnt ein Teufelskreis, der an klassische Mechanismen von Abhängigkeiten erinnert.
Parallelen zur klassischen Sucht
Toleranzentwicklung
Mit der Zeit reicht der bisherige „Kick“ nicht mehr aus. Das zuvor als überragend empfundene System wirkt plötzlich flach, langweilig oder unausgewogen. Man braucht neue Reize – also neue Geräte, neue Lautsprecher, neue Verstärker.
Entzugserscheinungen
Schon wenige Wochen ohne einen Neu-Kauf, ein neues Leihgerät oder ein neues „Upgrade“ können Unruhe, Unzufriedenheit und Unwohlsein hervorrufen. Dieses Verhalten sehe in meinem direkten Umfeld.
Verdrängung und Rationalisierung
Man redet sich ein, dass das neue Gerät „objektiv besser“ sei, obwohl es faktisch kaum hörbare Unterschiede geben wird, solange man sich gegen das Optimierung des Raumes stellt. Es werden Ausreden konstruiert, warum der letzte Kauf nun doch nicht das Maß aller Dinge war.
Soziale Isolation
In schweren Fällen kann das Suchtverhalten sogar Beziehungen belasten, weil immer größere Summen in eine Leidenschaft investiert werden, die nach außen zunehmend unverständlich wirkt.
Ein Fall aus dem eigenen Umfeld
Ein Beispiel aus meinem eigenen Bekanntenkreis verdeutlicht das sehr eindrücklich. Ein HiFi-Enthusiast ist seit über 18 Jahren auf der Suche nach seinem klanglichen Optimum. Doch je mehr er sucht, desto mehr entfernt er sich von einem Ziel, das er womöglich nie erreichen kann. Er leiht sich permanent neue Geräte aus, hört sie probe, macht von seinem Rückgaberecht Gebrauch – und beginnt den Prozess von vorn. Inzwischen verweigern viele Händler in Deutschland die Lieferung an ihn, weil sie diese Endlosschleife erkannt haben und wirtschaftlich nicht mehr mittragen möchten. Selbst mich beschäftigte er als Hobbylieferant und versuchte tatsächlich, mich bei einem Hersteller als Hifi-Inluenzer vorzustellen und versprach Ihm, ich erstelle auf YouTube kostenlosen Content. Seine Absicht war klar: An die Lautsprecher des Hersteller günstiger zukommen und mich dafür als Sprungbrett zu nutzen. Das sind ganz klar Suchterscheinungen weil mach „über Leichen“ geht um ans Ziel zu kommen.
Das Dilemma des Preisverfalls
Hinzu kommt der dramatische Preisverfall vieler High-End-Komponenten. Wer stets nur Neuware kauft, ist nahezu zwangsläufig mit enormen Wertverlusten konfrontiert. Selbst Top-Marken und modernste Technik verlieren innerhalb weniger Monate massiv an Marktwert, was den Druck auf den Käufer weiter erhöht: Man hat viel Geld investiert, ist dennoch unzufrieden und steht zugleich vor der bitteren Erkenntnis, dass das investierte Kapital nie wieder hereinkommt.
Die Rolle der Industrie und der Medien
Die Industrie lebt von diesen Mechanismen. Viele Fachzeitschriften sind eng mit den Herstellern und Vertriebswegen verknüpft. Kaum ein Testbericht endet noch mit einem kritischen Urteil. Vielmehr werden ständig neue Maßstäbe ausgerufen, an denen sich der verunsicherte Hörer orientieren soll. Auch auf High-End-Messen wird die Illusion des immer noch besseren Klanges geschickt inszeniert. Und in den sozialen Medien wird jeder neue Kauf von anderen Enthusiasten beklatscht – selbst wenn es sich nur um marginale technische Änderungen handelt. Auf YouTube zieht sich das leider komplett durch! Es sind reine Marketingveranstaltungen und die meisten Hifi- Influenzer sind die verlängerten Arme der Industrie.
Neutralität als Ausweg
Der eigentliche Ausweg liegt in einer nüchternen Rückbesinnung auf die Grundprinzipien der Musikwiedergabe: Neutralität in der Wiedergabekette sollte das Maß aller Dinge sein. Geräte, die Musik unverfälscht und linear übertragen, sind keine Modeerscheinung, sondern das eigentliche Ziel. Wer dies einmal verinnerlicht, erkennt sehr schnell, dass das Ende der Fahnenstange früher erreicht ist, als es einem die Industrie glauben machen möchte.
Fazit: Die Kunst, rechtzeitig anzuhalten
Die HiFi-Welt ist faszinierend, vielfältig und technisch hochentwickelt. Sie erlaubt es uns, Musik in einer Qualität zu genießen, die noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar war. Doch gerade diese Vielfalt und die immer neuen technischen Versprechungen können auch zur Falle werden.
Das Streben nach Perfektion wird für manche Hörer zu einer Endlosschleife, die dem klassischen Suchtschema in erschreckender Weise ähnelt: Immer wieder wird aufgerüstet, optimiert, ersetzt – in der Hoffnung, endlich den letzten fehlenden Baustein für den „idealen Klang“ zu finden. Händler, Medien und soziale Netzwerke befeuern diesen Kreislauf und nähren den Glauben, dass jedes neue Gerät eine echte Revolution darstellt.
Finanziell riskieren viele High-Ender dabei massive Verluste, emotional geraten sie in einen permanenten Zustand der Unzufriedenheit. Musik, die eigentliche Essenz des Hobbys, tritt immer mehr in den Hintergrund.
Der Ausweg liegt in einem bewussten Umdenken: Neutralität, technische Vernunft und die Akzeptanz, dass ein gut zusammengestelltes System dauerhaft Freude schenken kann, ohne permanent ersetzt werden zu müssen. Die größte Kunst im High-End-Bereich besteht eben nicht darin, immer weiter zu optimieren — sondern den Punkt zu erkennen, an dem man innehalten kann. Hier beginnt der wahre Musikgenuss.
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Hier einige Seiten welches genau das Thema behandeln:
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BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Verhaltenssucht
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https://www.drugcom.de/themen/weitere-suchtformen/verhaltenssucht/
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(gute Erklärung von Mechanismen wie Toleranzentwicklung, Kontrollverlust usw.)
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Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. – Verhaltenssüchte
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Psychologie Heute – Süchtig nach Kaufen
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https://www.psychologie-heute.de/gesellschaft/40868-kaufsucht-sucht-nach-dingen.html
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(Hier kann man gut Parallelen zum Kaufrausch im HiFi-Bereich ziehen)
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Spektrum.de – Wie aus Leidenschaft Sucht wird
Externe Links speziell zum Thema „Upgrade-Sucht“, „Technik-Sucht“ (englischsprachig, aber sehr gut):
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The Audiophile’s Upgrade Addiction
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https://www.whathifi.com/features/audiophile-upgrade-addiction
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(Ein lesenswerter Artikel, der den HiFi-Sucht-Kreislauf gut beschreibt)
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Stereophile: The Upgrade Spiral
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https://www.stereophile.com/commentary/107upgrade/index.html
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(Hier wird die Spirale der ständigen Upgrades thematisiert)
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