
Räumlicher Klang im Fokus: Wie Dolby Atmos die High-End-Welt verändert möchte
Dolby Atmos im High-End-Audiobereich – Zwischen Raumillusion und Realität
Von den Kinoleinwänden in die audiophilen Wohnzimmer: Dolby Atmos hat längst die Schwelle zur Musikproduktion überschritten und sorgt inzwischen auch im High-End-Bereich für Diskussionen. Was anfangs nach Marketing-Buzz klang, hat sich in einigen Studios zu einem ernstzunehmenden Werkzeug für räumliche Klanggestaltung entwickelt. Doch wie viel Substanz steckt hinter der objektbasierten Immersion – und welche Labels treiben das Thema ernsthaft voran?
Was ist Dolby Atmos – mehr als nur Kanäle
Anders als klassische 5.1- oder 7.1-Mischungen basiert Atmos auf Klangobjekten, die im dreidimensionalen Raum frei platziert werden. Bis zu 128 Audioobjekte können im Produktionsprozess mit Metadaten versehen werden, die der Renderer beim Abspielen interpretiert – unabhängig von der konkreten Lautsprecheranzahl beim Hörer. Damit wird Atmos nicht mehr kanalbasiert, sondern objektbasiert gedacht. Die vertikale Ebene (z. B. Deckenlautsprecher) eröffnet zusätzlich eine neue Dimension – gerade bei akustischer Musik oder Live-Atmosphären spürbar.
Warum forscht man gerade jetzt an Atmos?
Die aktuelle Forschung – sowohl von Dolby als auch von unabhängigen Akustik-Instituten – konzentriert sich auf mehrere zentrale Fragen:
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Wie wirkt sich Immersion auf das Hörerlebnis aus?
Neurowissenschaftlich wird untersucht, wie sich räumliche Ortung auf Emotion, Aufmerksamkeit und subjektiven Musikgenuss auswirkt. Erste Studien zeigen: Ein echtes 3D-Klangbild wird vom Gehirn anders verarbeitet als Stereo – intensiver, körpernäher, „greifbarer“. -
Wie kann man Raum und Positionierung verlässlich standardisieren?
Noch ist die Reproduktion stark abhängig vom Raum des Hörers. Forschungsprojekte wie MPEG-H Audio, ITU-R BS.2127 oder die Arbeiten an individualisierten HRTF-Modellen (Head-Related Transfer Functions) sollen objektive, übertragbare Standards ermöglichen – besonders relevant für binaurales Atmos über Kopfhörer. -
Welchen Einfluss hat die Wiedergabekette – und was kostet das?
Ein zentrales Ziel: Atmos erschwinglich und dabei audiophil konsistent zu machen. DSPs, Raumkorrektur-Systeme, Lautsprecher-Arrays – all das wird derzeit so kombiniert, dass hochwertige 3D-Wiedergabe auch unterhalb der 10.000-Euro-Grenze möglich wird. Aber die Erfahrung zeigt immer, das Geld eben triff. Wie im Fußball!
Labels, die es ernst meinen: Die Vorreiter der Atmos-Produktion
Während viele Major-Releases „Atmos“ nur als weiteres Format mitlaufen lassen, gibt es einige Labels und Studios, die Atmos nativ produzieren und dabei ein hohes Maß an klanglicher Authentizität anstreben:
2L (Lindberg Lyd, Norwegen)
Norwegens Vorzeige-Label für audiophile Klassik und sakrale Musik. Produziert in DXD (352,8 kHz / 24 bit) und Dolby Atmos – nicht als Effekt, sondern als Teil der klanglichen Interpretation des Raums. Zahlreiche Pure Audio Blu-rays mit echter 3D-Staffelung. Für viele der Goldstandard.
Pure Audio Records / msm-studios (Deutschland)
Pioniere der Pure Audio Blu-ray, produzieren u. a. für Berliner Philharmoniker, Jazzrausch Bigband und andere Crossover-Künstler. Atmos wird hier mit professionellem Studioequipment (9.1.6 u. ä.) gemastert – mit hörbarem Ergebnis.
TRPTK (Niederlande)
Modernes Label für Klassik, Jazz und elektroakustische Klangexperimente. Arbeitet mit extremem Anspruch an Phase, Abbildungsgenauigkeit und Raumdarstellung. Atmos wird hier als gestalterisches Element genutzt – transparent, minimal, direkt.
Pentatone
Renommiertes Klassik-Label aus den Niederlanden. Setzt zunehmend auf immersive Formate für ihre hochwertigen Orchester- und Kammermusik-Aufnahmen – technisch sauber produziert, auch als DSD-Download verfügbar.
Majors wie Universal, Warner, Sony
Hier kommt Masse vor Klasse. Klassiker wie „The Dark Side of the Moon“, „Abbey Road“ oder „Kind of Blue“ werden in Atmos reissued – mal mit Liebe, mal mit fragwürdigem EQ-Einsatz. Kritisches Hinhören ist gefragt.
Für wen lohnt sich das?
Wer ohnehin einen Mehrkanal-Setup (mind. 7.1.4) betreibt, bekommt mit Atmos das nächste Level an räumlicher Tiefe – vorausgesetzt, das Quellmaterial ist sorgfältig gemischt. Vor allem in:
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klassischer Musik (Raumstaffelung, Nachhall)
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Jazz (Clubbühne, Instrumententrennung)
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Ambient / elektroakustischer Musik (Raumbewegung, Objektflug)
kann Atmos ein realistisches Raumgefühl und eine neue Form des „In-der-Musik-Seins“ vermitteln.
Als Kopfhörer-Hörer?
Dolby bietet via Apple Music eine binaurale Headtracking-Wiedergabe. Das funktioniert mit AirPods Pro/Max erstaunlich gut – ist aber kein Ersatz für physische Lautsprecher. Es bleibt ein algorithmisches 3D-Rendering, keine echte Ortung. Für Casual-Hörer okay, für Puristen eher Spielerei.
Atmos-fähige Hardware – oder: Was kostet der Spaß?
High-End-Wiedergabe in Atmos ist (noch) kein Schnäppchen. Wer ernsthaft ein immersives Setup betreiben will, braucht:
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Trinnov Altitude16/32 oder Lyngdorf MP-60 als Prozessor
→ ca. 10.000 – 25.000 € -
aktive Lautsprecher wie Genelec 83xx oder Neumann KH-Serie
→ je nach Kanal: ab 1.000 € pro Lautsprecher -
9.1.6 Setup als Oberklasse-Variante – Deckenlautsprecher nötig
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Zusätzliche Anforderungen an Raumakustik und Bassmanagement
Aber es tut sich was:
Immer mehr Hersteller bringen kompaktere Atmos-Lösungen auf den Markt – etwa Marantz, NAD, Anthem oder Arcam mit günstigerem Processing. Ein realistisch gutes 5.1.4-Setup (passiv, AVR-basiert) ist heute schon ab 5.000–6.000 € möglich. Wer aber auf Studioqualität mit Referenz-Rendering aus ist, landet schnell im Bereich 20.000+ Euro.
Atmos-Plattformen – Wo gibt’s das alles?
Plattform | Qualität | Bemerkung |
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Apple Music | Dolby Digital Plus / binaural | Große Auswahl, gut für Einsteiger mit AirPods etc. |
TIDAL HiFi Plus | Atmos bei kompatibler Hardware | Eher Pop/Rock-orientiert |
Amazon Music HD | Atmos mit Echo Studio, Fire TV | Limitiert auf Amazon-Hardware |
HighResAudio.com | ADM BWF / TrueHD Downloads | Für echte Enthusiasten |
Pure Audio Blu-ray | Dolby TrueHD (verlustfrei) | Referenz, ideal für physische Sammler |
Fazit: Atmos – Modeerscheinung oder audiophiles Werkzeug?
Wenn man es richtig macht, ist Atmos ein Meilenstein. Kein künstlich aufgeblasener Effekt, sondern eine neue Ebene klanglicher Tiefe. Gerade Labels wie 2L, TRPTK oder msm-studios beweisen eindrucksvoll, dass mit Dolby Atmos Musik nicht nur lauter, sondern räumlich nachvollziehbarer wird – insbesondere im Klassik-, Jazz- und akustischen Bereich. Der Raum wird zum Instrument.
Atmos ist aktuell Gegenstand intensiver Forschung, weil es das Potenzial hat, die Rezeption von Musik grundlegend zu verändern. Nicht durch Effekthascherei, sondern durch präzise Ortung, Raumtiefe und emotional greifbare Klangarchitektur. Es geht nicht mehr nur um rechts und links – sondern um oben, unten, vorne, hinten, mittendrin.
Doch so faszinierend das Konzept auch ist: Wer glaubt, mit ein paar Euro und einem Surround-Set von der Stange (Teufel, Canton, Yamaha & Co.) echtes Atmos-Erlebnis zu bekommen, wird enttäuscht. Atmos im Musikbereich entfaltet seinen vollen Wert erst im High-End-Segment – mit sorgfältig ausgewählter Elektronik, exakter Lautsprecherplatzierung und raumakustischer Optimierung. Die Kosten dafür? Deutlich fünfstellig – ohne Kompromisse.
Kopfhörer-Atmos mag als Einstieg taugen, doch wer das volle Potenzial erleben will, braucht ein dediziertes Setup, idealerweise mit aktiver DSP-Korrektur, hochwertigem AV- oder Multichannel-Preamp, Endstufen auf Referenzniveau und Lautsprechern, die räumliche Auflösung nicht nur versprechen, sondern liefern.
Kurz: Atmos ist kein Plug-and-Play, sondern ein ernstzunehmendes Werkzeug für audiophile Hörer, die Stereo auf höchstem Niveau gewohnt sind – und bereit sind, das Ganze neu zu denken. Wer das versteht und konsequent umsetzt, wird belohnt: Mit einer Klangbühne, die nicht im Raum stattfindet, sondern den Raum durchdringt.
Aber nur, wenn alles passt: Aufnahme, Mischung, Equipment, Raum. Sonst bleibt es – wie so oft – eine teure Spielerei mit prominentem Logo. Natürlich dürfen wir auch nicht vergessen, das neue „Erfindungen“ eine weitere Einnahmequelle sind. Was aber nicht beachtet wird, das Classic und Jazz Hörer eine betuchte Kunden sind und Qualität erwartet werden. Diese Genres werden nicht mit günstigem Hifi Spaß verbreiten können. Das schafften günstige Stereo- Geräte das noch nie.
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