Anouar Brahem Trio Astrakan Café
Anouar Brahem Trio – Astrakan Café Hörbericht:
Overall Rating: ★★★★★ (5/5)
- Label: ECM Records – ECM 1718
- Format: CD, Album, Stereo, Streaming, Vinyl
- Country: Germany
- Released: 18. September 2000
- Genre: Jazz, Oriental
- Style: Contemporary Jazz / Orientalisch
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Das Anouar Brahem Trio und das Album Astrakan Café
Das Album Astrakan Café des Anouar Brahem Trios ist eine außergewöhnliche und atmosphärisch dichte Fusion orientalischer Klänge, die sich abseits westlicher Einflüsse bewegt, aber dennoch die Feinheiten des Jazz und seiner Improvisationskunst einfängt. Es wurde im Jahr 2000 vom Label ECM veröffentlicht, einem Label, das dafür bekannt ist, verschiedene musikalische Traditionen zu fördern und miteinander zu verbinden. Die minimalistische, aber elegante Produktion des Labels ist perfekt auf Brahems Stil abgestimmt und lässt jede Nuance und jedes Detail der Musik erstrahlen.
Die Musiker des Anouar Brahem Trios
Das Anouar Brahem Trio besteht auf diesem Album aus drei brillanten Musikern, die jeweils eigene kulturelle Hintergründe und Instrumentaltechniken mitbringen:
- Anouar Brahem – Oud
- Barbaros Erköse – Klarinette
- Lassad Hosni – Percussion
Brahem, ein Oud-Virtuose aus Tunesien, hat sich im Laufe seiner Karriere einen Namen gemacht, indem er die traditionellen Klänge seiner Heimat in einen modernen, jedoch zeitlosen Rahmen setzt. Auf Astrakan Café zeigt er seine Fähigkeit, den Oud – ein Instrument, das oft mit Melancholie und Geschichte verbunden wird – so einzusetzen, dass es sowohl rhythmische als auch melodische Strukturen unterstützt. Seine Musik baut eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Kulturen der arabischen Welt, zieht Inspirationen aus der Türkei, dem Maghreb und der Levante, ohne dabei westliche Einflüsse direkt zu integrieren. Vielmehr ist die westliche Jazz-Einflussspur hier so subtil, dass sie fast nicht wahrnehmbar, aber dennoch präsent ist und das Album hörbar zugänglich macht.
Kulturelle Einflüsse und musikalische Ästhetik
Die Stücke auf Astrakan Café sind tief verwurzelt in den musikalischen Traditionen des Nahen Ostens und Nordafrikas. Anouar Brahem schöpft dabei aus jahrhundertealten Traditionen der Oud-Musik und verbindet sie mit einem modernen Ansatz, der oft als „world jazz“ bezeichnet wird. Diese Form des Jazz vermeidet jedoch klassische westliche Jazzstrukturen wie Swing- oder Bebop-Elemente und konzentriert sich stattdessen auf die langsame Entfaltung melodischer Themen und rhythmischer Spannung. Die Kompositionen sind durchzogen von orientalischen Modi und Pentatoniken, die das gesamte Album wie eine Reise durch die Kulturregion erscheinen lassen.
Die Klarinette von Barbaros Erköse fügt eine zusätzliche Dimension hinzu, die an die türkische Musiktradition erinnert und die Stücke mit einem Hauch von Melancholie färbt. Erköse, selbst aus einer türkischen Musikerfamilie stammend, bringt mit seiner Spielweise Einflüsse der türkischen Klassik und des Sufi mit. Seine Klarinette ergänzt die Oud, indem sie oft kontrastierend oder dialogisch eingesetzt wird und dadurch eine narrative Form entwickelt. Die Zusammenarbeit zwischen Brahem und Erköse zeigt, wie nahtlos die orientalischen Instrumente zusammenklingen können, ohne dass dabei die jeweilige kulturelle Eigenständigkeit verloren geht.
Lassad Hosni spielt eine Reihe von traditionellen Percussion-Instrumenten, darunter Bendir und Darbuka, die der Musik eine starke rhythmische Grundlage verleihen und das repetitive, tranceartige Element des Albums unterstützen. Seine perkussiven Patterns sind oft minimalistisch, aber äußerst präzise und schaffen eine hypnotische Atmosphäre, die sowohl dynamisch als auch subtil ist. Hosni versteht es meisterhaft, seine Rhythmen so zu gestalten, dass sie den Kompositionen Tiefe und Struktur verleihen, ohne dominant zu werden.
Atmosphäre und klangliche Gestaltung
Der Titel des Albums, Astrakan Café, weckt sofort Vorstellungen eines mystischen Ortes, an dem Kulturen und Geschichten aufeinandertreffen. Die Kompositionen selbst wirken wie Erzählungen und schaffen eine intime Atmosphäre, die an ein nächtliches Café in der arabischen Welt erinnert, ein Treffpunkt für Musiker und Reisende. Die Musik hat dabei eine beruhigende, fast meditative Wirkung. Die Stücke sind in ihrem Tempo oft langsam, mit langen Pausen und Raum für Stille, was typisch für ECM ist und eine intime Klanglandschaft erschafft, die den Hörer in eine fast spirituelle Stimmung versetzt.
Durch das Fehlen westlicher Einflüsse wirkt das Album wie eine Hommage an die Ursprünge der arabischen Musik. Die Melodien und Rhythmen sind repetitiv und minimalistisch gehalten, was eine fast tranceartige Stimmung erzeugt. Dieses Element wird oft mit der Jazz-Idee der „endlosen Erzählung“ in Verbindung gebracht, bei der die Musik nie zu einem Ende kommt, sondern sich organisch weiterentwickelt. Hier zeigt sich die einzigartige Fähigkeit von Anouar Brahem, den orientalischen Sound so zu gestalten, dass er einem improvisierten Jazz ähnelt, ohne jemals von seiner kulturellen Basis abzuweichen.
Rezeption und Bedeutung
Astrakan Café wurde von Kritikern und Hörern weltweit sehr positiv aufgenommen. Das Album wird oft als eine der besten Arbeiten von Anouar Brahem betrachtet und wird für seine Fähigkeit gelobt, die Grenzen von Jazz und Weltmusik zu erweitern. Es wurde vor allem in Europa geschätzt, wo das Publikum empfänglich für musikalische Fusionen aus verschiedenen Kulturen ist. In der Jazz- und World-Music-Szene gilt es als Meilenstein, der zeigt, wie traditionelle Musik modern interpretiert und mit improvisatorischer Freiheit gestaltet werden kann, ohne dabei den eigenen kulturellen Hintergrund zu verlieren.
Insgesamt ist Astrakan Café ein außergewöhnliches Werk, das sowohl die Schönheit der orientalischen Musik als auch die subtilen Einflüsse des Jazz miteinander vereint. Es ist ein Album, das durch seine Tiefe, Atmosphäre und die herausragenden musikalischen Leistungen aller beteiligten Künstler beeindruckt. Anouar Brahem ist es gelungen, eine einzigartige Klangwelt zu schaffen, die Hörer auf eine musikalische Reise mitnimmt – durch Wüsten, Städte und Kulturen, die über Jahrhunderte gewachsen sind und nun in dieser modernen, zeitlosen Form wiederaufleben.
Tracklist:
- Aube Rouge À Grozny (4:18)
- Komponiert von Barbaros Erköse. Dieser kraftvolle Eröffnungstitel reflektiert eine düstere Stimmung, inspiriert von der roten Morgendämmerung über der Stadt Grozny.
- Astrakan Café (1) (3:15)
- Komponiert von Anouar Brahem. Der Titeltrack bringt die Hörer in die Atmosphäre eines Cafés voller kultureller Begegnungen und zeigt die ätherische Melodie der Oud.
- The Mozdok’s Train (4:43)
- Komponiert von Anouar Brahem. Ein mystischer Track, der das Bild einer langsamen Zugfahrt durch unberührte Landschaften evoziert.
- Blue Jewels (8:27)
- Komponiert von Anouar Brahem. Ein längeres Stück, das die Klarheit und Schönheit von „blauen Juwelen“ in einer musikalischen Reise voller emotionaler Tiefe darstellt.
- Nihawend Lunga (3:29)
- Arrangiert von Anouar Brahem; komponiert von Jamil Bey. Ein traditionell inspirierter Titel, der den Nihawend-Modus in einer hypnotischen Melodie erforscht.
- Ashkabad (5:34)
- Komponiert von Anouar Brahem, Barbaros Erköse und Lassad Hosni. Ein Stück, das die Weite und Ferne von Ashgabat durch eine lyrische Melodie einfängt.
- Halfaouine (5:53)
- Komponiert von Anouar Brahem. Dieser Titel entführt die Hörer in die lebendige Atmosphäre von Halfaouine, einem Stadtviertel in Tunis.
- Parfum De Gitane (7:01)
- Komponiert von Anouar Brahem. Eine sinnliche Komposition, die an den Duft und die Freiheit einer Roma-Kultur erinnert.
- Khotan (3:29)
- Komponiert von Anouar Brahem. Ein ruhiges Stück, das an eine ferne, orientalische Stadt erinnert und mit subtilen Melodien verzaubert.
- Karakoum (5:03)
- Komponiert von Anouar Brahem. Inspiriert von der rauen Schönheit der Karakum-Wüste, spiegelt dieses Stück eine beeindruckende Weite wider.
- Astara (10:42)
- Komponiert von Anouar Brahem. Der längste Track des Albums, eine epische musikalische Erzählung, die an die Kultur und Geschichte des Grenzorts Astara erinnert.
- Dar Es Salam (3:42)
- Komponiert von Anouar Brahem. Ein friedvolles Stück, das das arabische Konzept von „Dar es Salam“ (Haus des Friedens) repräsentiert.
- Hijaz Pechref (6:20)
- Komponiert von Anouar Brahem; Fragment komponiert von Osman Bey. Diese Komposition spielt mit dem Hijaz-Modus, einem typischen orientalischen Tonleiter, und schafft eine elegante, klassische Struktur.
- Astrakan Café (2) (4:49)
- Komponiert von Anouar Brahem. Die Fortsetzung des Titeltracks, die das Album atmosphärisch abrundet und noch einmal die zauberhafte Stimmung des Astrakan Café beschwört.
Jeder Titel des Albums Astrakan Café entfaltet eine eigene Welt und bietet tiefe Einblicke in die orientalische Klanglandschaft, in die Brahem und sein Trio die Hörer mit jedem Stück ziehen.