Bugge Wesseltoft – Somewhere In Between

Bugge Wesseltoft – Somewhere In Between

Bugge Wesseltoft – Verschiedene Interpreten Somewhere In Between

  • Label: Jazzland Recordings – 478751
  • Serie: Jazzland Norway – N° 12
  • Format:  Streaming, Compilation, Stereo, CD, Vinyl
  • Land: Europe / Norwegen
  • Veröffentlicht: 7. Okt. 2016
  • Genre: Electronic, Jazz
  • Stil: Contemporary Jazz, Future Jazz
  • Werbung Amazon: Bugge Wesseltoft

Es gibt Alben, die einen beiläufig begleiten – und es gibt solche, die sich in den Hörraum und das Gehirn brennen. Somewhere In Between von Bugge Wesseltoft gehört für mich zweifellos zur zweiten Kategorie. Diese Musik geht nicht nur durch die Ohren, sondern wirkt tief ins emotionale Zentrum. Sie berührt, fordert, überrascht – und bleibt. Und das liegt vor allem an dem Mann, der dahintersteht.

Wer ist Bugge Wesseltoft?

Bugge Wesseltoft ist Pianist, Komponist, Produzent und Klangarchitekt – ein moderner Musiker mit Wurzeln im klassischen Jazz, aber einem Herz für klangliche Innovation. Geboren 1964 in Porsgrunn, einer Hafenstadt im Süden Norwegens, wuchs er in einem musikalisch geprägten Umfeld auf. Sein Vater, Erik Wesseltoft, war selbst Gitarrist und komponierte Jazz, was natürlich auch Bugges frühkindliches Gehör und seine musikalische Neugier prägte.

Er studierte später an der renommierten Jazzabteilung der Musikhochschule in Trondheim, einer Ausbildungsstätte, die über die Landesgrenzen hinaus für ihren modernen, kreativen Zugang zur Jazzpädagogik bekannt ist. Dort lernte Bugge nicht nur das Handwerk, sondern entwickelte auch eine eigenständige musikalische Sprache, die sich nicht an Konventionen klammert.

Sein eigentlicher Durchbruch kam, als er mit Größen wie Jan Garbarek spielte – einem der bekanntesten Vertreter des nordischen Jazz, der ihn sowohl musikalisch als auch strukturell förderte. Doch Wesseltoft beließ es nicht bei der Rolle des Sideman. Schon früh zeigte sich sein Drang, neue Wege zu gehen, sich nicht an nostalgische Jazzformen zu binden, sondern eine Klangsprache zu finden, die Gegenwart, Elektronik und improvisierte Musik in einem offenen System vereint.

Jazz in neuen Dimensionen – Future Jazz und Klangkunst

Was Wesseltoft seit Mitte der 1990er-Jahre entwickelt hat, kann man als eine der wichtigsten Neuerfindungen des europäischen Jazz bezeichnen. Mit seinem 1996 gegründeten Label Jazzland Recordings gab er nicht nur sich selbst, sondern auch anderen Grenzgängern der Szene ein Zuhause. Hier entstand das, was man später als “Future Jazz” oder auch “Nu Jazz” bezeichnete – eine Musik, die Jazz nicht als museales Erbe, sondern als lebendigen Klangkörper begreift, in dem Akustik und Elektronik, Improvisation und Struktur, Tiefe und Groove gleichberechtigt nebeneinanderstehen.

Wesseltofts Musik ist dabei stets geprägt von einer enormen klanglichen Sensibilität. Man merkt seinen Produktionen an, dass er nicht einfach nur Tasten drückt, sondern in Schichten, Räumen, Texturen denkt. Jeder Ton ist bewusst platziert, jede Stille genau getimt. Er interessiert sich nicht nur für Melodien oder Rhythmen, sondern auch dafür, wie etwas klingt, wo es klingt, was es im Raum auslöst.

Somewhere In Between – Zwischenwelt und Hörabenteuer

Mit Somewhere In Between legt Bugge Wesseltoft ein Album vor, das genau diesen Anspruch weiterführt und konsequent verfeinert. Schon der Titel ist Programm: Hier geht es nicht um Eindeutigkeiten, sondern um das Dazwischen – zwischen akustischem Flügel und elektronischen Texturen, zwischen kontemplativer Ruhe und pulsierendem Groove, zwischen Jazz-Tradition und experimenteller Soundkunst.

Für mich persönlich gehört dieses Album zu seinen stärksten. Und ich sage das ganz bewusst: Ich bin Fan! Die Art von Musikverständnis, die Bugge hier zeigt, trifft meinen Nerv sowas von. Alle Ideen, die er auf die Tasten bringt – ob nun improvisiert oder komponiert – sprechen meine grauen Gehirnzellen auf mehreren Ebenen an. Das ist Musik, die den Intellekt reizt, aber zugleich tief emotional wirkt. Musik, die nicht erklärt werden muss, sondern wirkt.

Klangqualität? Überragend!

Man merkt Bugge in jeder Note an, dass er großen Wert auf Klangqualität legt. Das ist kein Zufall, sondern Ergebnis von Erfahrung, technischer Präzision und einem geschulten Gehör. Das gesamte Album wirkt extrem durchdacht, ohne steril zu sein. Es hat Seele, aber auch Struktur. Es ist atmosphärisch dicht, aber nie überladen.

Schon der erste Track ist ein Paradebeispiel: Tief gestimmte Bässe werden hier so unfassbar gut platziert, dass sich eine unglaubliche Räumlichkeit entfaltet. Der Klang drückt nicht, sondern umhüllt, er trägt und trägt weiter. Neben der herausragenden Atmosphäre kommt hier auch die Dynamik nicht zu kurz – im Gegenteil: Sie ist ein zentrales Stilmittel, das organisch wirkt und nie aufgesetzt erscheint.

Wenn man über eine gute HiFi-Anlage verfügt – was für Leser von mackern.de ja meist gegeben ist – dann kann man das Album in seiner vollen Bandbreite erleben. Jeder Ton, jede Klangschicht, jede Nuance entfaltet sich. Man kann mit geschlossenen Augen hören – und wird dennoch sehen. So immersiv ist dieses Werk.

Zusammenarbeit auf dem Album – Qualität statt Quantität

Wie bei vielen seiner Projekte arbeitet Wesseltoft auch hier nicht im Alleingang. Er holt sich ausgewählte Musiker ins Boot, die seine Klangsprache verstehen und ergänzen. Dabei geht es nie um Effekthascherei oder Namedropping, sondern um echte musikalische Begegnung. Oft sind es dezente Beiträge, die aber umso wirkungsvoller sind – ein Percussion-Loop hier, ein zurückhaltendes Saxophon da, eine elektronische Fläche im Hintergrund. Alles wirkt fein ausbalanciert und steht im Dienst des Gesamtklangs.

Fazit: Ein Meilenstein zwischen den Welten

Somewhere In Between ist mehr als nur ein Jazz-Album. Es ist ein Statement. Ein Hörerlebnis für Menschen, die bereit sind, sich einzulassen – auf Stille, auf Tiefe, auf Details. Für mich ist dieses Album ein Paradebeispiel dafür, dass es in der Musik nicht nur auf Kreativität ankommt, sondern auch auf das Wissen, wie etwas zu klingen hat.

Ich bin – und bleibe – ein Fan. Und dieses Album ist eine weitere Bestätigung, dass Bugge Wesseltoft zu den ganz Großen gehört. Einer, der mit jeder neuen Veröffentlichung zeigt, wie viel musikalisches Denken, Fühlen und Hören noch möglich ist – zwischen Jazz, Elektronik, Sounddesign und audiophiler Brillanz.

Absolute Empfehlung – sowohl musikalisch als auch klangtechnisch.

Tracklist und kurze Beschreibungen

  1. Existence (2016 Version) – 6:56
    Ein atmosphärischer Opener, der elektronische Klangflächen mit sanften Pianoimprovisationen verbindet. Tiefe Bässe und subtile Percussion schaffen eine meditative Grundstimmung.

  2. Hope (2016 Version) – 7:23
    Helle, optimistische Melodielinien treffen auf warme Synthesizertexturen. Ein Stück, das sowohl Ruhe als auch leise Spannung transportiert.

  3. Hands (2016 Version) – 4:59
    Minimalistisch und doch rhythmisch lebendig. Die Hände des Pianisten setzen hier klare Akzente, während elektronische Elemente den Groove verstärken.

  4. Oh Ye – 6:28
    Fließende Harmonien, verziert mit elektronischen Loops. Ein Track, der das Hörerlebnis zwischen Jazz und Ambient hin- und herschwenken lässt.

  5. Yoyk (2016 Version) – 5:35
    Spielerische Pianolinien treffen auf pulsierende elektronische Texturen. Ein Stück voller dynamischer Kontraste.

  6. Wy (2016 Version) – 5:43
    Sanfte, meditative Melodien, die im Zusammenspiel mit elektronischen Pads eine traumartige Klanglandschaft erzeugen.

  7. Out Here. In There. – 5:46
    Dynamisches Wechselspiel zwischen leisen akustischen Piano-Passagen und rhythmischen elektronischen Einschüben. Spannung durch subtile Überraschungsmomente.

  8. Try – 4:00
    Kompakter Track, der mit minimalem Material maximale Wirkung erzielt. Jazzige Improvisation trifft hier auf reduzierten Elektro-Groove.

  9. Den Fyrste Songen – 3:34
    Ein sehr persönlicher, fast folkartiger Track, der norwegische Einflüsse aufgreift und warme Melancholie ausstrahlt.

  10. Kammermusik – 6:53
    Wie der Name vermuten lässt: klassisch anmutende Strukturen treffen auf moderne Elektronik. Ein Stück voller kontrastierender Klangfarben.

  11. Round Midnight – 5:07
    Bugge interpretiert den Standard auf eigene, introspektive Weise. Dunkle, dichte Harmonien schaffen nächtliche Stimmung.

  12. Sender (2016) – 7:55
    Elektronisch betonter Track mit fließenden Piano-Linien. Spannende Rhythmuswechsel und atmosphärische Effekte prägen den Song.

  13. Turner (2016) – 5:51
    Ein Stück voller Bewegung, in dem melodische Ideen wie Fäden ineinander verwoben werden. Leichtfüßige Elektronik ergänzt das akustische Piano.

  14. How High The Moon – 6:45
    Jazzstandard in futuristischer Umsetzung. Swing trifft Ambient-Flächen und ergibt eine sehr eigenständige Interpretation.

  15. Breed It – 8:22
    Experimentell und energiegeladen. Bugge spielt hier mit Kontrasten zwischen akustischen Instrumenten und elektronischen Klangtexturen.

  16. Mamullah – 4:58
    Leicht verspielte, rhythmisch abwechslungsreiche Komposition, die durch subtilen elektronischen Unterbau an Tiefe gewinnt.

  17. You Might Say (2016 Version) – 5:58
    Melodisch, leicht nostalgisch, dabei modern im Arrangement. Harmonische Wendungen und elektronische Elemente ergänzen sich perfekt.

  18. Mitt Hjerte Alltid Vanker – 4:48
    Sanfte Ballade, getragen von warmen Pianoakkorden und sparsamen elektronischen Pads. Emotional und introspektiv.

  19. Yellow Is The Colour – 10:40
    Längster Track des Albums, der Raum für ausgedehnte Improvisationen lässt. Atmosphärisch dicht, mit starker dynamischer Bandbreite.

  20. Somewhere In Between – 4:49
    Titeltrack und klanglicher Höhepunkt: Elegant komponierte Melodie, perfektes Zusammenspiel von akustischem Piano und subtiler Elektronik. Ein Stück, das die Essenz des Albums zusammenfasst.