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Was ist der Hick s Law Effekt

Der Hick’s-Law-Effekt im Produktportfolio als Überlegung in Hifi und High End

Einleitung

Hick’s Law – auch als Hick-Hyman Law bekannt – stammt aus der Kognitionspsychologie und beschreibt, wie die Reaktionszeit eines Menschen steigt, je mehr Auswahlmöglichkeiten er hat. Formal lautet das Gesetz:

RT = a + b × log₂(n + 1)

Dabei ist RT die Reaktionszeit, n die Anzahl der Optionen und a und b sind Konstanten abhängig von der Situation und der Person.

Obwohl dieser Grundsatz ursprünglich aus der Verhaltensforschung stammt und oft im UX-/UI-Design angewendet wird (z. B. bei Software- oder Website-Gestaltung), hat er auch einen bemerkenswerten Einfluss auf die Welt des HiFi- und High-End-Audio – besonders im Hinblick auf Gerätebedienung, Nutzerführung, sowie das psychologische Hörerlebnis.

Hick’s Law lässt sich aber nicht nur auf einzelne Geräte anwenden, sondern auch auf das Produktportfolio von Herstellern – und hier wird es richtig spannend.

Ein konkretes Beispiel ist Canton. In der einstigen Reference-Serie bot man gleich fünf verschiedene Modelle an: Reference 1, 3, 5, 7 und 9. Klingt beeindruckend, aber genau hier beginnt die kognitive Überforderung des Käufers.

Denn: Welche ist nun die richtige für mich?

Man kann sich denken: „Wenn ich keine Kompaktbox möchte, lasse ich die 9 weg. Die 1 und 3 sind preislich jenseits von Gut und Böse – also bleiben nur noch die 5 und die 7.“ Und genau da liegt das Problem: Man wählt – und jede Wahl fühlt sich irgendwie falsch an.

Warum? Weil zu viel Zwischenstufe geboten wird, ohne klare Differenzierung. Und statt einem fokussierten Portfolio mit einem klaren Einstieg, einem Mittelklassemodell und einem Topmodell entsteht ein undurchschaubares Line-up, das eher verwirrt als überzeugt.

Weniger wäre mehr gewesen. Warum nicht einfach ein Modell 1, 3 und 5 – wobei die 5 als Kompaktbox das Sortiment abrundet? So hätte man klar definierte Abstufungen, die sich nicht gegenseitig das Wasser abgraben.

Genau hier zeigt sich, wie Hick’s Law auch für Marketing und Produktentwicklung gilt. Kunden wollen Klarheit, keine Rechenspiele. Und auch wenn Vielfalt erstmal wie Stärke aussieht – sie kann den Entscheidungsprozess lähmen.

Der Reiz des Reduzierten – Warum High-End oft einfacher wird

Was uns bei mackern.de immer wieder auffällt – ob bei Röhrenverstärkern, Vintage-Komponenten oder puristischen Lautsprecherkonzepten: Reduktion ist kein Verzicht, sondern ein Statement.

Ein Audio Note OTO SE hat zwei Eingänge, einen Lautstärkeregler und sonst nichts. Kein Display, kein Menü, keine Optionen. Und trotzdem – oder gerade deshalb – zählt er für viele Hörer zu den eindrucksvollsten Amps, was musikalischen Fluss und emotionalen Zugang betrifft.

Aber aus anderer Sicht gibt es natürlich den Techniknerd der die Herausforderungen braucht. Insbesondere mit Software einigen Streamer und Wandlerhersteller. Doch die breite Masse will nicht überfordert werden. Selbst ein EQ stellt für die breite Masse ein Problem dar! Auch für mich. Ich will ja nur Musik hören…..

High-End ist oft dann am stärksten, wenn es sich traut, Entscheidungen vorwegzunehmen – statt sie dem Nutzer aufzubürden.

Das ist kein Zufall, sondern tief in Hick’s Law verankert. Geräte, die sich auf das Wesentliche konzentrieren, reduzieren kognitive Last – und machen genau das, was wir in der Musik suchen: Emotionen freilegen, ohne Umwege.

1. Gerätebedienung: Weniger ist mehr

Viele moderne HiFi- oder High-End-Komponenten bieten zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten: Eingänge, Filtertypen, digitale Modulationen (z. B. Upsampling, PCM/DSD-Wandlung), Raumkorrekturen und mehr.

Anwendung von Hick’s Law:

  • Problem: Wenn der Nutzer mit zu vielen Wahlmöglichkeiten (z. B. 10 Filtertypen bei einem DAC) konfrontiert wird, dauert es länger, eine Entscheidung zu treffen – und er erlebt womöglich Frustration.

  • Lösung (High-End-Audio): Hersteller wie Linn, Naim oder Pass Labs setzen bewusst auf reduzierte Bedienkonzepte – entweder durch klare Werkseinstellungen oder intuitive Menüs, was dem Hick’schen Gesetz entspricht. Die Bedienung wird dadurch entschlackt, schneller und emotional positiver wahrgenommen.

2. Benutzeroberflächen und Menüdesign

Geräte mit Displays, z. B. Netzwerkstreamer oder DSP-gesteuerte Aktivlautsprecher, müssen Informationen klar und strukturiert darstellen.

Bezug zu Hick’s Law:

  • Eine überladene Menüstruktur oder zu viele verschachtelte Optionen führen zu verzögerter Interaktion und Überforderung – besonders bei audiophilen Nutzern, die den Fokus auf das Hören legen wollen, nicht auf das Konfigurieren.

  • Hersteller wie dCS oder Weiss Engineering nutzen klare, logisch gruppierte Menüs mit begrenzten Auswahlpunkten pro Ebene – in direkter Anwendung des Gesetzes.

3. Einfluss auf Kaufentscheidungen

Auch in der Produktauswahl selbst zeigt sich Hick’s Law: Je mehr Geräte mit minimalen Unterschieden (z. B. fünf Phono-Vorverstärker im gleichen Preissegment), desto schwieriger fällt dem Kunden die Auswahl.

Konsequenz im High-End-Vertrieb:

  • Fachhändler, die gezielt drei Optionen vorschlagen („gutes Mittelklasse-Modell“, „audiophiles Referenzmodell“, „Geheimtipp“), nutzen das Prinzip aktiv, um die Entscheidungsfindung zu erleichtern.

  • Auch Online-Shops mit klarem Vergleich und Filtermöglichkeiten folgen diesem psychologischen Leitfaden.


4. Psychologische Wirkung beim Musikhören

Auch wenn Hick’s Law primär die Reaktionszeit auf Auswahloptionen betrifft, lässt sich sein Kern auf das subjektive Hörerlebnis übertragen:

  • Weniger Optionen = mehr Konzentration auf das Wesentliche.
    Audiophile berichten häufig, dass Geräte mit „reduzierter“ Schaltung (weniger Signalpfad, weniger Eingriffe) zu einem „natürlicheren“ Hörerlebnis führen. Diese Geräte zwingen den Hörer nicht, Entscheidungen zu treffen (z. B. welcher Digitalfilter besser klingt), sondern lassen ihn direkt hören.

Auch der Vertrieb profitiert – weniger Auswahl, mehr Klarheit

Nicht nur Geräte selbst, auch der Kaufprozess ist von Hick’s Law betroffen. Wer bei einem Händler zehn Geräte im gleichen Preissegment testet, verlässt das Studio oft ratloser als vorher. Wer hingegen drei wohlüberlegte Alternativen präsentiert bekommt, entscheidet meist schneller – und mit besserem Gefühl.

Deshalb sind gute Händler nicht nur Technikverkäufer, sondern auch Kuratoren. Sie filtern vor, treffen eine Vorauswahl – und reduzieren damit die Entscheidungszeit. Auch das: Hick’s Law in Aktion.

Vorab- Schlusswort – Was wir aus Hick’s Law für unser HiFi-Leben mitnehmen können

In einer Zeit, in der jedes Gerät mit „Features“ überfrachtet wird, erinnert uns Hick’s Law an etwas sehr Grundsätzliches:

Technik soll dienen – nicht dominieren.

Wer Musik wirklich erleben will, braucht keine Filterspielereien, sondern Vertrauen in die Entscheidung des Herstellers, Klarheit im Design – und die Freiheit, einfach nur zu hören.

Und auch Hersteller täten gut daran, nicht jede noch so kleine Markt-Nische mit einem eigenen Modell zu füllen, sondern sich auf klare, durchdachte Produktlinien zu konzentrieren. Denn am Ende entscheidet sich der Hörer nicht nur für Klang – sondern auch für ein gutes Gefühl bei der Wahl.


mackern.de meint:
Hick’s Law ist kein Gesetz des Verzichts – es ist ein Wegweiser zu echtem Musikgenuss. Ob im Menü eines DACs oder im Lautsprecher-Line-up eines Traditionsherstellers – weniger Optionen bedeuten oft mehr Zufriedenheit.

Ergänzung Apple:

Apple – Hick’s Law als Designphilosophie

Ein Hersteller, der Hick’s Law seit Jahrzehnten erfolgreich lebt, ist – wenig überraschend – Apple. Ob man die Firma liebt oder verteufelt: Apple reduziert wie kein Zweiter.

Und das nicht nur bei Hardware, sondern vor allem im Interface-Design und Produktangebot:

  • Ein iPhone hat keine 37 Kamera-Modi – sondern einen Automatikmodus, der einfach funktioniert.

  • Die Menüführung eines MacBooks oder iPads wirkt nicht deshalb aufgeräumt, weil es weniger Funktionen gibt – sondern weil viele Entscheidungen bewusst im Hintergrund getroffen werden.

  • Selbst bei der Modellpolitik: Apple bietet wenige, klar voneinander abgegrenzte Produktlinien. Man weiß intuitiv: MacBook Air = leicht & mobil, MacBook Pro = Leistung. Fertig. Keine kryptischen Zahlenfolgen, keine Modellbezeichnungen mit Bindestrichen und Buchstabensalat.

Diese Strategie ist Hick’s Law in Reinkultur: Weniger Auswahloptionen, schnellere Entscheidungen, bessere Nutzererfahrung.

Was die HiFi-Welt von Apple lernen kann

Und genau hier liegt der Knackpunkt: Warum schaffen das Konzerne wie Apple – und Hersteller in der HiFi-Welt verlieren sich oft in verwirrenden Portfolio-Exzessen?

Zurück zu unserem Canton-Beispiel:
Stell dir vor, Apple hätte fünf fast identische iPhones mit winzigen Leistungsunterschieden im Sortiment. iPhone 1, iPhone 3, iPhone 5, iPhone 7, iPhone 9 – wer soll das auseinanderhalten? Genau so fühlte sich die Reference-Serie von Canton über Jahre an. Ein unnötiges Überangebot, das Käufer nicht stärkt, sondern verunsichert.

Die HiFi-Branche könnte hier einiges lernen:

  • Klare Produktpositionierung statt Varianten-Wahnsinn.

  • Mut zur Reduktion.

  • Fokus auf Bedienbarkeit statt auf Feature-Feuerwerke.

Und vor allem: mehr Vertrauen in die eigene technische Handschrift, statt dem Käufer die Verantwortung für jede Feinheit aufzuzwingen. So wie Apple: „Hier ist das Produkt – wir haben es für dich optimiert. Du musst nichts mehr entscheiden, sondern nur genießen.“

Fazit: Apple macht’s vor – HiFi darf nachziehen

Apple beweist: Weniger ist nicht nur mehr – es verkauft sich auch besser. Und zwar nicht trotz, sondern wegen der Reduktion. Hick’s Law ist hier kein theoretisches Prinzip, sondern zentraler Bestandteil der Design-DNA.

In der audiophilen Welt – besonders im High-End-Segment – ist dieser Gedanke noch nicht überall angekommen. Stattdessen: Software das überladen ist,  5 Lautsprecher Modelle  innerhalb derselben Serie, zig Modelle mit Nuancen-Unterschieden.

Tschüneyts Gedanke 2: Wer ernsthaft gute HiFi-Geräte bauen will, sollte sich nicht fragen: Was kann ich noch alles anbieten?
Sondern: Was kann ich dem Hörer abnehmen, damit er sich ganz auf die Musik konzentriert?

Denn am Ende zählt nicht die Option, sondern die Emotion.

Fachbücher & Grundlagenwerke (Design, UX):

  1. „The Universal Principles of Design“
    von William Lidwell, Kritina Holden, Jill Butler
    ➤ Enthält ein sehr gutes Kapitel über Hick’s Law mit praktischen Anwendungsbeispielen für Interface-Design, Entscheidungspsychologie und Produktentwicklung.
    ISBN: 978-1592535873

  2. „Don’t Make Me Think“
    von Steve Krug
    ➤ Klassiker im Web- und UX-Design. Hick’s Law wird dort indirekt behandelt – als Teil der Argumentation für „kognitive Entlastung durch Klarheit“.
    ISBN: 978-0321965516

  3. „Designing with the Mind in Mind“
    von Jeff Johnson
    ➤ Geht explizit auf Hick’s Law ein, z.B. bei Menügestaltung, Entscheidungsarchitektur.
    ISBN: 978-0124079144

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