CD Cover mit einer Frau das ein Schild in der Hand hält.

Class D vom Schaltverstärker zum High-End-Wunder – Jeff Rowland und Co im Fokus

Class D im High-End: Von der Schalt-Endstufe zum Klangwunder

Wie moderne Ingenieurskunst und clevere Konzepte eine einst verschmähte Technik in die Champions League der Audiowelt katapultierten.


Lange Zeit war die Sache scheinbar klar: Wer Klangqualität wollte, griff zu Class-A, wer Leistung suchte, wählte Class-AB, und wer sparen wollte, musste sich eben mit Class-D begnügen. So zumindest das Dogma der Hifi-Welt über Jahrzehnte. Doch die Realität sieht heute völlig anders aus. Die besten Class-D-Verstärker spielen inzwischen in einer Liga, die sich selbst mit den renommiertesten klassischen Konzepten messen kann — und in mancher Disziplin sogar überlegen erscheint.

Der Trick: Während frühere Class-D-Endstufen oft mit harschen Höhen, matschigen Mitten und einer gewissen Kälte kämpften, haben heutige High-End-Hersteller die Schwächen durch kluges Engineering praktisch eliminiert. Hohe Schaltfrequenzen, ausgeklügelte Feedbacksysteme, präzise Filter, intelligente DSPs — so wird aus simplen Schaltern feinste Musik.

Wie Class D eigentlich funktioniert

Bevor wir uns den Stars der Szene widmen, lohnt ein kurzer technischer Blick unter die Haube:
Class-D-Verstärker arbeiten im Kern wie ultraschnelle Schalter. Statt das Audiosignal linear zu verstärken, wandeln sie es in ein hochfrequentes PWM-Signal (Pulsweitenmodulation) um. Die Transistoren schalten im Idealfall nur „ein“ oder „aus“ — entweder sie leiten vollständig oder gar nicht. Dadurch entsteht kaum Verlustwärme, und der Wirkungsgrad liegt bei sagenhaften 90 bis 95 Prozent.

Doch wo viel Licht ist, lauert auch der Schatten:
Damit aus dem geschalteten PWM-Signal wieder Musik wird, braucht es präzise Tiefpassfilter. Und genau hier steckt der Teufel im Detail. Denn je höher die gewünschte Audiofrequenzbandbreite, desto höher müssen auch die Schaltfrequenzen liegen, um Störungen und Intermodulationen zu vermeiden. Dazu kommen die klassischen Class-D-Probleme: Elektromagnetische Störungen (EMV), Verzerrungen durch Schaltartefakte und komplexe Fehlerkorrekturen.

Warum große Bandbreite so schwer zu erreichen ist

Für CD-Qualität mit 20 kHz Grenzfrequenz reicht theoretisch eine Schaltfrequenz von etwa 400 kHz. Doch moderne High-Res-Formate, anspruchsvolle Audiophile und Studiotechnik verlangen Bandbreiten bis 40, 60 oder gar 100 kHz — das bedeutet: Schaltfrequenzen von 1 MHz sind keine Seltenheit mehr.

Dazu müssen Filter mit extremer Linearität, Phasentreue und minimalen Verzerrungen entworfen werden. Hier hilft nur absolute Präzision im Layout, exakte Bauteiltoleranzen, adaptive Regelkreise und teils sogar Echtzeit-Digitaltechnik. Erst wenn diese Disziplinen perfekt zusammenspielen, wird Class D zur ernsthaften Konkurrenz für Class A & Co.

Meine eigene Begegnung mit dem High-End-Class-D

Wie spektakulär gut Class D heute klingen kann, durfte ich am eigenen Leib erfahren. Beim ausgedehnten Test des Jeff Rowland Continuum 250 zeigte sich mir eine völlig neue Welt der Klangreproduktion.

Schon beim ersten Einschalten: völlige Ruhe. Keine Artefakte, kein Grundrauschen, nur schwarze Stille. Und sobald Musik ertönt: holographische Räumlichkeit, feinste Detailauflösung, seidig weiche Mitten, präzise Höhen ohne jegliche Schärfe. Die Basskontrolle: knochentrocken, schnell und stets souverän, selbst bei komplexem Material.

Der Jeff Rowland Continuum 250 arbeitet mit extrem hoher Schaltfrequenz (bis 1 MHz intern), kombiniert mit einem hochpräzisen adaptiven Feedbacksystem, das ständig den Ausgang mit dem Eingang vergleicht und Fehler in Echtzeit ausregelt. Das Ergebnis: Ein Verstärker, der das Musiksignal nahezu unverfälscht durchreicht, aber trotzdem musikalisch, warm und lebendig klingt.

Die Meister des modernen Class D

Doch Jeff Rowland ist längst nicht allein. Die Liste der High-End-Schmieden, die Class D inzwischen zur Perfektion treiben, wächst stetig:

Jeff Rowland – Präzision auf höchstem Niveau

  • Bandbreite: 10 Hz – >100 kHz

  • Schaltfrequenz: bis über 1 MHz

  • Charakter: absolut transparent, dennoch musikalisch und plastisch

Meridian – DSP trifft auf Schalttechnik

  • Bandbreite: ca. 20 Hz – 100 kHz

  • Adaptive digitale Filter glätten selbst komplexe Musiksignale

  • Charakter: extrem sauber, hochauflösend, neutral mit perfekter Raumabbildung

Devialet – Hybrid aus Class A und D

  • Bandbreite: 30 Hz – 95 kHz (-0.5 dB)

  • ADH-Technik (Analog Digital Hybrid): Class-A-Steuerstufe kombiniert mit Class-D-Leistung

  • Charakter: klinisch rein, dennoch emotional packend, spektakuläre Raumdarstellung

Bang & Olufsen – Designikonen mit DSP-Intelligenz

  • Bandbreite: bis ca. 50 kHz

  • Eigenentwickelte Class-D-Plattformen mit DSP-gesteuerten Filtern

  • Charakter: warm, musikalisch, sehr detailreich — perfekt auch in schwierigen Räumen

JBL – Studio-DNA im Class-D-Kleid

  • Bandbreite: 20 Hz – 40 kHz

  • DSP-gestützte Aktivsysteme mit Bi- und Tri-Amping

  • Charakter: dynamisch, pegelfest, neutral — perfekt für Studio und High-End

Genelec, Kii Audio, Grimm Audio, Dutch & Dutch, Dynaudio – die neue Aktivgeneration

Diese Hersteller perfektionieren Class-D durch präzise DSP-Raumkorrekturen, aufwendige Gehäusekonstruktionen und zeitrichtige Filterarchitektur. Hier trifft Technik auf Mathematik — mit Resultaten, die selbst in kritischen Hörräumen verblüffende Präzision ermöglichen.

Warum Class D im High-End so erfolgreich ist

Was all diese Hersteller vereint, ist die Fähigkeit, die Vorteile von Class D — hohe Effizienz, kompakte Bauweise, geringe Abwärme — mit den Anforderungen audiophiler Klangkunst zu vereinen. Vor allem in vollaktiven Lautsprechersystemen kommt Class D voll zur Geltung:

  • Jeder Treiber bekommt seinen eigenen, perfekt abgestimmten Verstärkerkanal.

  • DSPs kompensieren Gehäuseresonanzen, Frequenzweichenfehler und Raumprobleme.

  • Verluste durch passive Bauteile entfallen.

  • Enorme Leistung ist auch in kompakten Gehäusen möglich.

Das Dogma ist gefallen — ein Blick zurück

Um zu verstehen, warum Class D so lange mit Skepsis betrachtet wurde, muss man einige Jahrzehnte zurückgehen. In der goldenen Ära des High-End — den 1970er und 1980er Jahren — war der Verstärker das Herz jeder ernstzunehmenden Hifi-Anlage. Und das Herz schlug fast immer in Class A oder Class AB.

Class A galt dabei als die reinste, edelste Schaltungstopologie: Der Transistor oder die Röhre arbeitet stets im linearen Bereich, es gibt keine Umschaltverluste, keine Cross-Over-Verzerrungen, keine Schaltgeräusche. Dafür enorme Wärmeentwicklung, niedriger Wirkungsgrad und oft sehr hoher Preis — aber Klang, so warm wie ein Röhrenfeuer an einem Herbstabend.

Class AB wurde zum alltagstauglichen Kompromiss: Mehr Leistung bei weniger Abwärme, aber immer noch mit sehr guter Linearität, wenn gut gebaut. Viele der legendären Boliden — Accuphase, Krell, Mark Levinson, Threshold, McIntosh — basieren auf dieser Topologie. Diese Amps brachten Punch, Kontrolle, und dennoch Musikalität.

Und dann kam irgendwann Class D. Zunächst im Profibereich, in PA-Endstufen, in günstigen Surround-Receivern, in Subwoofern. Die Vorteile lagen auf der Hand: klein, leicht, kühl, günstig — aber eben: „Digital“ (auch wenn die Schaltung analog schaltet).
Der Begriff „Schaltverstärker“ war schon fast ein Schimpfwort unter Audiophilen. Viel zu oft klangen die frühen Modelle tatsächlich nach dem Vorurteil: hart, flach, steril, nervös in den Höhen, dünn im Grundton.

Ein Dogma war geboren: „Class D taugt nicht für High-End.“

Und dieses Dogma hielt sich erstaunlich lange, obwohl schon in den 2000ern die ersten ambitionierten Projekte zeigten, dass es auch anders geht. Firmen wie Jeff Rowland und Bel Canto experimentierten früh mit hochwertigen Class-D-Modulen, während Hersteller wie Bang & Olufsen mit ihrer ICEpower-Technologie einen Meilenstein setzten: kompaktes Design, saubere Leistung, endlich kontrollierte Höhen und ein ansatzweise musikalischer Klang.

Der nächste große Schritt kam mit dem Einzug von Hochfrequenz-Schaltmodulen jenseits der 500 kHz, kombiniert mit hochpräzisen Fehlerkorrekturen und DSP-gestützter Linearisation. Plötzlich waren Verzerrungen und Artefakte nicht nur im Messlabor verschwunden, sondern auch im Hörraum praktisch nicht mehr wahrnehmbar.
Hersteller wie Devialet gingen noch einen Schritt weiter und kombinierten Class A und Class D in hybriden Architekturen (ADH – Analog Digital Hybrid), um das Beste beider Welten zu verschmelzen.

Doch die Vorurteile hielten sich hartnäckig. Gerade in den konservativen Zirkeln der High-End-Gemeinde ist Misstrauen gegenüber neuen Technologien fast ein Reflex. Erst mit der zunehmenden Dominanz der aktiven Studiomonitore (Genelec, Neumann, Kii Audio) und den atemberaubenden Leistungen heutiger Aktivsysteme begann das Dogma ernsthaft zu bröckeln.

Heute, 2025, lässt sich nüchtern feststellen:
Class D ist angekommen. Nicht nur als akzeptierte Alternative, sondern als gleichberechtigter, oft sogar überlegener Mitbewerber.

Die Szene hat sich verändert. Und mit ihr unser Klangideal.

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Videobeschreibung: Class D Verstärker: Von verpönt zu High-End? In diesem Video schauen wir uns an, wie Hersteller wie Jeff Rowland, Devialet, Meridian, Bang & Olufsen, JBL und viele andere das Dogma gebrochen haben. Was steckt technisch hinter modernen Class-D-Konzepten? Warum klingen heutige Schaltverstärker so gut? Und wie spielt DSP, hohe Schaltfrequenz und moderne Fehlerkorrektur zusammen? Taucht mit mir ein in die Welt moderner Verstärkertechnik!