Arve Henriksen Cartography – Klang-Grenzgang für höchste Ansprüche
Arve Henriksen: „Cartography“ – Die Kunst der audiophilen Klangvermessung
- Label: ECM Records – 178 0116
- Format: CD, Album, Streaming, Vinyl
- Land: Germany
- Veröffentlicht: 3. Nov. 2008
- Genre: Jazz
- Stil: Contemporary Jazz
- Amazon Link: Arve Henriksen
Der Name Arve Henriksen steht in der zeitgenössischen Musikszene Norwegens für einen einzigartigen, innovativen Ansatz, der die Grenzen zwischen Jazz und Elektronik verwischt. Mit seinem 2008 bei ECM Records erschienenen Album „Cartography“ hat der Trompeter und Klangkünstler nicht nur seine eigene musikalische Landkarte neu gezeichnet, sondern auch ein Werk geschaffen, das audiophile Ohren in seinen komplexen und vielschichtigen Bann zieht.
Eine Klanglandschaft aus Jazz, Ambient und Elektronik
„Cartography“ ist alles andere als ein klassisches Jazzalbum; es ist vielmehr eine Klangstudie an der faszinierenden Schnittstelle von Improvisation, Elektronischer Musik, Ambient und nordischer/asiatischer Folklore. Henriksens unverkennbares Markenzeichen, der flötenartige, gehauchte Trompetenton – eine Hommage an die japanische Shakuhachi-Flöte – dient als melancholischer Anker, der sich durch ein weites Meer aus Texturen und Samples zieht.
Zentral für diesen vielschichtigen Sound sind die Kollaborateure und Produzenten Jan Bang (Live Sampling) und Erik Honoré. Sie sind es, die digitale Schleifen, Field Recordings und gesampelte Klänge – darunter die himmlischen Stimmen des Vokalensembles Trio Mediaeval – zu einem dicht gewebten, aber zugleich fragilen Klangteppich verweben.
Die Fachpresse würdigte diese kühne musikalische Erkundung. Die britische Zeitung The Guardian nannte Henriksen einen „Sound Innovator“ und betonte in ihrem Lob: „Die Mittel, die Henriksen wählt, um seine musikalischen Ziele zu erreichen, sind weniger wichtig als die Ziele selbst.“ The Jazz Mann beschrieb das Album treffend als eine Bewegung in einer „Grenzregion zwischen Kammer-Jazz und reinem Ambient Soundscaping“. Auch das Magazin fairaudioerkannte in dem Werk „anspruchsvolle Klanglandschaften“, die mit dem landläufig erwarteten „Designer-Jazz“ der nordischen Avantgarde nur wenig gemein hätten.
Die klangliche Herausforderung: Perlen vor die Säue?
Dass Alben auf dem renommierten ECM-Label durch ihre exzellente Aufnahmequalität und Manfred Eichers meisterhafte Produktion glänzen, steht außer Frage. Auch „Cartography“ bildet hier keine Ausnahme und ist klanglich von höchster Güte. Doch gerade dieses Album stellt extrem hohe Anforderungen an die Wiedergabekette. Die Musik lebt nicht von Lautstärke oder direkter Attacke, sondern von feinsten Nuancen: vom zarten Atemsound der Trompete, von subtilen, tiefen Bässen, dem skitternden Percussion-Geflecht, der schwebenden Atmosphäre und der exakten Platzierungder Samples im virtuellen Raum.
Für audiophile Ohren ist „Cartography“ somit ein ultimatives Test- und Genussstück. Eine normale, undifferenzierte Anlage ist schlichtweg nicht in der Lage, die künstlerischen Ideen 1:1 wiederzugeben. Die tiefgreifende Atmosphäre, die Immersion und die gesamte emotionale Wirkung dieser „Klangvermessung“ bleiben dem Hörer sonst verwehrt. Um die ganze kreative Tiefe und die Fülle der zu entdeckenden Details dieses Albums erfahren zu können, muss die Wiedergabe in der Lage sein, diese Künstler-Vision originalgetreu zu reproduzieren. Alles andere wäre in der Tat, metaphorisch gesprochen, das Werfen von Perlen vor die Säue. Es gilt die klare Ansage: Arve Henriksens Gesamtwerk – und „Cartography“ im Besonderen – ist ein Muss für jeden, der klanglich das Maximum herausholen will.
Produktionsstätten der „Cartography“
Die „Kartografie“ der Aufnahmen selbst ist vielseitig und spiegelt den experimentellen, oft improvisatorischen Charakter des Albums wider. Die Stücke wurden über einen Zeitraum von 2005 bis 2008 hinweg an verschiedenen Orten aufgenommen und später zusammengefügt. Der Hauptteil des Materials wurde im Punkt Studio in Kristiansand, Norwegen, aufgenommen, das als Zentrum für experimentelle Musik dient und eng mit den Produzenten Jan Bang und Erik Honoré verbunden ist. Darüber hinaus sind einzelne Stücke, wie „Poverty and Its Opposite“ und Teile von „Famine’s Ghost“, wertvolle Live-Aufnahmen, die während des Punkt Festivals in Kristiansand entstanden sind. Ergänzende Sessions fanden im Stadtgarten Restaurant, Köln, sowie in David Sylvians Samadhisound Studio statt.
Das Engineering und die finale Produktion verantworteten Erik Honoré und Jan Bang, die dem Album seine definitive, räumliche und dichte Gestalt gaben.
Wer in diesen einzigartigen Stil eintauchen möchte, dem sei der Titel Migration als Einstieg empfohlen, ein Stück, das die Essenz des Albums perfekt einfängt.
Arve Henriksen: „Cartography“ – Titelliste und Beschreibung
- Poverty and Its Opposite (5:35)
- Beginnt oft als Live-Aufnahme und etabliert sofort Henriksens gehauchten, Shakuhachi-ähnlichen Ton. Das Stück bewegt sich zwischen minimalistischer Melancholie und subtiler Perkussion, was ein Gefühl von Kargheit und Hoffnung evoziert.
- Before and Afterlife (6:43)
- Einer der dichtesten Tracks, angereichert durch gesprochene Fragmente von David Sylvian. Es baut eine filmische, tiefgründige Atmosphäre auf, in der die Trompete wie eine mystische Stimme aus einer anderen Welt klingt.
- Migration (5:41)
- Ein als Highlight geltendes, hypnotisches Stück. Eine einfache, repetitive Trompetenmelodie wird durch Jan Bangs Samples und elektronische Texturen in ständiger Bewegung gehalten. Es vermittelt ein starkes Gefühl von Reise, Verlagerung und Sehnsucht.
- From Birth (2:44)
- Eine kurze, introspektive Miniatur. Zarter Trompetenklang trifft auf elektronische Geräusche und leichte Beats, die das Thema Neubeginn und Fragilität musikalisch umsetzen.
- Ouija (2:40)
- Ein experimentellerer Track, dessen Name an das Ouija-Brett erinnert. Die Musik erzeugt eine mysteriöse, jenseitige Stimmung, bei der die Trompete durch starke elektronische Manipulationen geisterhaft und unwirklich erscheint.
- Recording Angel (6:23)
- Ein besonders atmosphärisches Stück, das durch die gesampelten Stimmen des Vokalensembles Trio Mediaeval gekennzeichnet ist. Die Trompete schwebt über diesen choralen Texturen und erzeugt eine erhabene, fast sakrale Stimmung.
- Assembly (3:55)
- Hier wird der Trompetenklang oft dringlicher und leicht geschärft, eingebettet in synthetische Texturen. Das Stück steigert sich in seiner Intensität und verbindet kühle Elektronik mit Henriksens warmer Stimme.
- Loved One (4:04)
- Eine ruhigere, fast elegische Komposition. Sie ist sanft und reduziert, mit einem Fokus auf die reine, klare Melodie der Trompete, die eine zärtliche und wehmütige Stimmung trägt.
- The Unremarkable Child (2:04)
- Eine weitere kurze, konzentrierte Klangskizze. Minimalistisch und nachdenklich, in der Stille und Hall fast so wichtig sind wie die wenigen musikalischen Noten.
- Famine’s Ghost (4:28)
- Ein zweigeteiltes Stück, das den Wechsel von akustischen Elementen (mit der Stimme von Anna Maria Friman) zu einer elektronischen Soundscape beinhaltet, die Eindrücke von Not und Vergänglichkeit vermittelt.
- Thermal (2:27)
- Eine kurze, lebhafte Spur, die Elemente aus Live-Aufnahmen aufgreift. Eivind Aarset an der Gitarre trägt hier zu den dichten und warmen Texturen bei.
- Sorrow and Its Opposite (4:29)
- Das elegische Schlussstück. Es rundet die musikalische Reise mit einer Mischung aus sanfter Traurigkeit und stiller Hoffnung ab und lässt den Hörer mit dem charakteristischen, nachhallenden Trompetenton zurück.
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